Ekkehard Czerwinski †

Ein Abschiedsgruß

von Erwin Grosche

Ekkehard Czerwinski - Foto © Frank Becker
Ekkehard Czerwinski
 
Ekkehard machte immer „Brumm, Brumm“, wenn wir losmußten. Er saß vor dem Lenkrad und erinnerte mit diesem „Brumm Brumm“ daran, daß ich ihm den Autoschlüssel geben mußte. Wir setzten dann unsere Sonnenbrillen auf, legten nicht den Sicherheitsgurt an und fuhren gemeinsam zu irgendeinem Kleinkunstabend in Sommerhausen oder Swisttal Morenhoven. Brumm, brumm. Wir sahen aus, als kämen wir aus einer Obdachlosenunterkunft und wären nur unterwegs, um mit der Tageskasse abzuhauen. Wir fuhren durch Fußgängerzonen und parkten in Parkverboten. Wir lebten hinter den Kulissen und waren Teil der Traumfabrik. Ich schwöre, wir waren die coolsten Burschen der Stadt. Ich habe mit keinem Menschen auf der Welt mehr Zeit verbracht als mit dem feinen Herrn Czerwinski. Wir waren keine Freunde, sondern Brüder von verschiedenen Vätern, die man als Kinder getrennt hatte. Ich stand neben ihm, wenn er an der Hotelrezeption seinen komplizierten Nachnamen buchstabieren mußte und wartete auf ihn, wenn er vor der Heimfahrt, nach Einpacken der Requisiten, noch eine Gauloises rauchen mußte. Es wurde früher gesagt, daß Hanns Dieter Hüsch den schnellsten Tourfahrer der Szene hatte, aber das stimmte nicht. Ekkehard war schneller, brumm, brumm. Wir fuhren in einem Rutsch zu einem Auftritt an den Bodensee und wieder zurück. Die Strecke von Hannover nach Paderborn schafften wir in einer Stunde, allerdings brauchte Ekkehard dann eine halbe Stunde, um aus dem Auto zu kommen. Er hatte zu Hause ein Lenkrad an seinem Fernseher installiert, wo er die großen Rennen des Motorsports nachgefahren ist. Er nahm es dort mit der Weltelite des Motorsports auf und er war schneller. Brumm, brumm.
     Am liebsten war er mit richtigen Musikern unterwegs. Seine Tourneen mit Toto Blanke und Brian Auger machten ihm mehr Spaß als das Rummachen in der Kleinkunstszene. Ekkehard war nie nur ein Tourbegleiter, sonder fuhr auch als Tonmeister die Show. Er war der Road Manager. In Italien auf einem Marktplatz zu stehen und den Sound für die Brian Auger Band zu mischen, gab ihm den größten Kick. Er überredete auch Brian Auger sich ein Hörgerät zu kaufen, und diesen Beitrag zur Musikgeschichte kann man gar nicht hoch genug bewerten. Ekkehard konnte alles und kannte sich mit allem aus. Er war ein Allrounder, der sein eigenes Leben führen konnte und wollte. Er war arm wie eine Kirchenmaus und hatte keine Krankenversicherung. Offizielle Briefe, die was von ihm wollten, flogen ungeöffnet in den Müll. Wer nichts hat, hat auch nichts zu verlieren. Er war Selbstversorger in jeder Hinsicht und aus der Zeit gefallen wie ein Prophet. Was konnte er nerven mit seinen Vorahnungen und Visionen. Ich saß Silvester 2000 in einem Hotel auf Lanzarote und hatte das Badezimmer mit 100 Litern Mineralwasser vollgestellt, weil Ekkehard zum Jahrtausendwechsel von einem Ausfall der Computersysteme ausging und mit einer Verknappung des Trinkwassers rechnete. Ich habe ihm ja blind vertraut. Später waren wir ein wenig müde geworden. Unsere tausend Fahrten haben uns erschöpft, und unsere Abenteuer waren Dienstfahrten geworden. Wir ließen uns dann kraftlos in Stich. Als man Ekkehards Krankheit festgestellt hatte, meldete er sich wieder bei mir, und ich besuchte ihn zum ersten Mal in seinem Zuhause. Er wollte in seinem Bett sterben, bei geöffnetem Fenster mit Ausblick auf zehn Walnußbäume. Ich habe Ekkehard immer gesagt, daß er uns alle überleben würde, und auch wenn das vielleicht nun unwahrscheinlich klingt, glaube ich noch immer daran. Übrigens, wenn Sie mal auf einem Fahrersitz sitzen und zum Losfahren noch den Autoschlüssel suchen, dann machen sie „Brumm Brumm“, damit alle wissen, wo hier der Hase läuft. Das ist so komisch ist, daß man heulen könnte. Vielleicht kommt dann im Radio auch dieses Lied:
 
„Ham wir uns nicht ewig einen Spaß gemacht
nun wird alles wohl ein bißchen kälter
Narren geben auf und werden ausgelacht
Ham doch mal gehofft, wir werden älter
 
Wir bleiben über, wir bleiben hier
die Welt wird trüber, die Welt wird Tier
Wer will uns zähmen, wer will uns was
vorbei das Schämen, läuft ab der Paß

O wie federleicht, oh wie klar
uns das Leben reicht, wunderwahr
O wie federleicht, o wie klar
nun das Leben weicht: Superstar

Sag noch einmal Dank, wen du getroffen hast
sag: Du alter Sack, ich danke dir
wir zusammen Dick und Doof, das hat gepaßt
du warst da und ich war hier.

Wir bleiben über, wir bleiben hier
die Welt wird trüber, die Welt wird Tier
Wer will uns zähmen, wer will uns was
vorbei das Schämen, läuft ab der Paß

O wie federleicht, oh wie klar
uns das Leben reicht, wunderwahr
O wie federleicht, o wie klar
nun das Leben weicht: Halleluja.“

Finis