Ein bißchen zieht es sich schon...

„Once upon a time in … Hollywood“ von Quentin Tarantino

von Renate Wagner

Once upon a time in … Hollywood
(USA 2019)

Drehbuch und Regie: Quentin Tarantino
Mit: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Al Pacino, Mike Moh,
Julia Butters, Damon Herriman, Rafal Zawierucha u.a.
 
 
Once upon a time“ bedeutet so viel wie unser „Es war einmal“, und so beginnen Märchen. Nur daß uns Quentin Tarantino, wenn es denn ein Märchen sein soll, das er in seinem neunten Spielfilm über Hollywood von einst erzählt, dieses zwar satirisch und überbordend anspielungsreich, aber auch ziemlich – zäh angelegt hat. Trotz Starbesetzung, die natürlich funktioniert. Aber die drei Stunden, die man durch das Patchwork von Szenen steigt, die „damals“, in diesem Fall 1969, in Hollywood spielen, ziehen sich.
Einerseits geht es um Atmosphäre, und in einer Welt ohne Internet und Handys war es gewissermaßen gemütlicher. Man fuhr in den Riesenschlitten durch Los Angeles und betrachtete abgerissene Hippie-Girls am Straßenrand. Man saß in Lokalen und drosch leeres Stroh (tut man das nicht noch immer?). Wenn man nicht arbeitete, wußte man nichts mit sich anzufangen. Alltagsszenen. War es wirklich so fad, damals in Hollywood?
Eine stringente Geschichte erzählt sich solcherart nicht, also hat der Film zwei Haupt-„Helden“, wenn man sie als solche bezeichnen kann (denn auch in ihrem Fall hat die Dramaturgie Löcher, sie sind auch nur punktuell da). Hauptfigur „Rick Dalton“ (so heißt ein Western-Darsteller damals) vermag schon vermitteln, wie hart sich der Beruf für jemanden in einer Welt anfühlt, wo man nur so viel wert ist wie sein letzter Erfolg: Leonardo DiCaprio, der längst aufgehört hat, ein hübscher junger Mann zu sein, bietet die Verbissenheit und Verkrampftheit eines „Stars“, der – wie jeder und er am besten weiß – eigentlich schon zu den „Has been“ gehört und der ununterbrochen kämpfen muß, den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren. Sei es mit Fernsehserien. Sei es, verdammt noch mal, mit verachteten Italo-Western, die man in Europa drehen muß. In einer köstlichen Szene gleich zu Beginn macht Al Pacino (in abenteuerlicher Maske) als schmieriger Agent Marvin Schwarz klar, daß die Möglichkeiten beschränkt sind.
 
Es ist kein „Buddy“-Film, aber dennoch würde dieses Handlungs-Minimum um Rick Dalton noch weniger funktionieren, wenn Tarantino ihm nicht einen Begleiter gegeben hätte. Und Brad Pitt als Cliff Booth ist fast die interessantere Figur. Er ist nicht nur Daltons Stuntman, er ist sein Bodyguard, Chauffeur, Mann für alles – und er wird nicht vor Neid auf den Mann zerrissen, der im Gegensatz zu ihm „berühmt“ ist. Nein, ihm gefällt seine gelassene „Rolle“ am Rande, er ist entspannt, weil der Druck auf ihn gering ist, er kann lachen und sogar trösten und meist die Achseln zucken. Wenn man ihm auch nachsagt – was er kommentarlos hinnimmt – er habe einst seine Frau umgebracht und sei damit davon gekommen, was soll’s? In einer unglaublich komischen Szene legt Bruce Lee (Mike Moh) sich mit ihm an – da er aber seine kämpferischen Fähigkeiten nur simuliert, Cliff hingegen echt zuschlägt, bleibt der Action-Held im richtigen Leben auf dem Boden. (Und die Kinder von Bruce Lee haben sich schon lautstark über die Darstellung ihres Vaters in Tarantinos Film beschwert…)
 
Es gibt viele, nicht immer zusammenhängende Szenen und Episoden (Rick dreht eine brutale Filmszene mit einer Achtjährigen – schaurig cool als Partnerin: Julia Butters, Cliff besucht einen alten Kollegen, der in den Händen der Hippies ist und sich nicht an ihn erinnert), außer den beiden Helden tritt kaum jemand hervor – außer natürlich Sharon Tate, die Schöne, die „mit diesem polnischen Regisseur“ verheiratet ist, den alle als großes Talent preisen. Sie ist schön, nett und vielleicht ein bißchen hohlköpfig (Margot Robbie), aber unter den Kindern dieser Epoche sicher nicht die übelste. Ihr Bungalow liegt neben jenem von Rick, und man sieht ihr zu, wie sie die Zeit totschlägt (ihr Mann ist in Europa), weil sie nichts Besseres zu tun hat.
Dann tauchen – und nun sollte es langsam nicht so plätschernd, sondern Tarantino-griffiger zugehen – die seltsamen, ja unheimlichen Groupies auf, die um diesen Charles Manson (Damon Herriman) abhängen, der komischerweise zu seiner Umwelt überraschend höflich agiert. Und natürlich sind alle immer wieder „stoned“, und weil man in Hollywood ist, taucht logischerweise die Frage auf: Are you real? Ja, was ist „real“?
Das Finale spitzt sich zu, man wartet schon etwas ungeduldig, etwas gelangweilt darauf, daß das unscharfe Genrebild von Hollywood endlich Farbe und Kontur gewinnt. Ja, wie war das damals, als Sharon Tate und ihre Begleiter von der Manson-Bande hingeschlachtet wurden?
Es ist gewissermaßen Ehrensache, daß kein Kritiker verrät, wie Tarantino nun mit dem Fall des historischen Tate-Mordes umgegangen ist – man kann jedenfalls sagen, daß er sich hier selbst so nahe ist wie in sonst keinen Passagen. Kino ist Kino, Hollywood ist Hollywood, das merkt man ganz am Ende besonders, da steht historische Akkuratesse nicht zur Diskussion. Da schlagen die grimmigen Pointen Purzelbäume, und man möchte wünschen, daß die Dinge im wahren Leben à la Tarantino gelaufen wären…
 
„What the fuck happened?“ läßt Tarnatino Roman Polanski (Rafal Zawierucha), aus Europa heimgekehrt, fragen. Ja, das fragt man sich auch. Immerhin versöhnt das Ende mit großen Teilen des Films, die den genialen Schwung des Regisseurs missen lassen. Sorry, er selbst hat die Latte gelegt, an der man ihn mißt. Nun muß er sich mit seinem nächsten, dem zehnten Film – wenn er denn tatsächlich sein letzter sein soll – besondere Mühe geben, damit man (wie bei den „Inglourious Basterds“) genußvoll sagen könnte: typisch Tarantino… Denn der stand doch eigentlich immer für zähneklappernde äußere und innere Spannung.
 
 
Renate Wagner