Bittersüß. Aber auch immer dieselbe Geschichte.

„Der Honiggarten“ von Annabel Jankel

von Renate Wagner

Der Honiggarten – Das Geheimnis
(Tell It to the Bees - GB 2018)

Regie: Annabel Jankel
Mit: Anna Paquin, Holliday Grainger, Gregor Selkirk u.a.
 
Ja, wir wissen es, bis vor einem halben Jahrhundert (oder vielleicht auch länger) war es für die Außenseiter der Gesellschaft schwer. Langsam griff die Liberalisierung, schubweise begann man endlich die Geschichten zu erzählen, um das sich ein „straight white“ Kino gedrückt hatte. Schwule Schicksale. Wenn man es schon schaudernd von Männern glaubte – aber Frauen? Ja, sie hatten es schwer, und umso schwerer, je enger die gesellschaftlichen Verhältnisse waren, in denen sie sich bewegten.
Wenn uns „Der Honiggarten“ in eine kleine schottische Stadt der Fünfziger Jahre mitnimmt, wo alles „Enge“ zu atmen scheint, könnte man das erst für ein soziales Drama halten (und wer gut Englisch spricht, wird den schottischen Akzent in seiner Unverwechselbarkeit lieben). Etwa, wenn es um Lydia Weekes geht, die von ihrem Gatten sitzen gelassen wurde (auch wenn er im gleichen Ort lebt) und ihren kleinen Sohn Charlie aufzieht. In der Fabrik arbeitet sie schwer, aber das Geld reicht nie, und dauernd droht die Delogierung. Wenn nun eine neue Ärztin in den Ort kommt, nicht ganz neu zwar, ihr Vater war hier Arzt, sie ging weg, übernimmt jetzt nach seinem Tod Praxis, das große Haus und die Bienenzucht in ihrem Garten – dann könnte es auch darum gehen, wie man sich auf einer Ebene sozialer Wärme hilft.
Aber der gleichnamige, 2009 erschienene Roman von Fiona Shaw (die englische Schriftstellerin ist nicht mit der irischen Schauspielerin gleichen Namens zu verwechseln) erzählt etwas anderes.
Er erzählt von Jean Markham, die immer schon lesbisch war und folglich auf den Rat des Vaters wegging, weil die Stadt zu klein sei, diese Neigung zu übersehen. Und als Jean Lydia und ihren Sohn bei sich aufnimmt, wird sofort geklatscht. Und zu Recht. Denn die beiden Frauen, die es anfangs nicht wagen wollen, weil sie wissen, was sie damit riskieren (abgesehen davon, daß gleichgeschlechtliche Liebe damals dort bis Ende der Sechziger Jahre strafbar war) – sie fühlen sich ja doch unwiderstehlich von einander angezogen. Obwohl ihre Beziehung (sanfte Bettszenen) nicht eben vor Glück strahlt. Aber sie lieben sich.
 
Ja, und dann kommt es, wie es kommen muß: Der bis dahin so glückliche kleine Charlie (er ist als großer Charlie übrigens die Stimme aus dem Off, die diese Geschichte aus der Erinnerung erzählt) überrascht die beiden, beschimpft sie verzweifelt als „dirty dykes“, wird von Vater und Tante weggeholt, scheint die Mutter und ihre Freundin zu hassen, die er doch so liebt, obwohl er Jean so viel verdankt und unter ihrer Obhut ein wahrer Kenner und Liebhaber der Bienen geworden ist.
Man erfährt, wie gnadenlos unbarmherzig, wie verständnislos und eisenhart die Umwelt ist, die beiden Frauen mit ihrem gesellschaftlichen Ruin droht – Anna in ihrem Beruf, Lydia, der man das Kind wegnimmt. Am Ende müssen sie sich trennen. Bittersüß. Selbstverständlich wahr und richtig. Aber auch immer dieselbe Geschichte.
Die stille Anna Paquin (1993, wie die Zeit vergeht, war sie in „Das Piano“ die jugendliche, hoch gelobte Nebendarstellerin) als Ärztin (deren Ordination schlagartig leer ist, als der Fall publik wird) und die schüchternden Charme ausstrahlende Holliday Grainger als Lydia, dazu der hinreißende Gregor Selkirk als kleiner Blondschopf Charlie spielen das in der sensiblen Regie von Annabel Jankel wunderschön sensibel. Aber doch nicht so, daß man sich für die langsame, leise, traurige, schwermütige Geschichte sonderlich zu interessieren vermöchte. Vielleicht, weil sie in jedem Detail der Handlung so gänzlich voraussehbar ist?
 
 
Renate Wagner