Mini-Szenen mit Pfiff

Michael Frayns „Matchbox Theatre“

von Daniel Diekhans

Foto © Marco Piecuch

Mini-Szenen mit Pfiff
 
Das Rheinische Landestheater Neuss begeisterte in Remscheid
mit Michael Frayns „Matchbox Theatre
 
Inszenierung: Caroline Stolz - Bühne: Jan Hendrik Neidert - Kostüme: Lorena Díaz-Stephens
Besetzung: Hergard Engert, Juliane Pempelfort, Nelly Politt, Benjamin Schardt, Carl-Ludwig Weinknecht und Peter Waros
 
Sechs Schauspieler zeigen Michael Frayns Komödie in deutscher Erstaufführung
 
Mühelos vereint Michael Frayns „Matchbox Theatre“ Witz und philosophische Tiefe. In 30 Mini-Szenen treibt der Brite sprachliche Verrenkungen und Mißverständnisse auf die Spitze. Zum Saisonbeginn gastierte das Rheinische Landestheater Neuss mit der hoch gelobten deutschen Erstaufführung des „Streichholzschachteltheaters“ in Remscheid. Souveränes Timing bewiesen Juliane Pempelfort – die Schauspielerin ist Theaterfreunden der Region als langjähriges Emsemblemitglied der Wuppertaler Bühnen bekannt - und ihre fünf Mitspieler Hergard Engert, Nelly Politt, Benjamin Schardt, Carl-Ludwig Weinknecht und Peter Waros, die 52 verschiedene Figuren verkörperten.
Für Regisseurin Caroline Stolz spielen aber auch die Zuschauer eine wichtige Rolle. Bevor sich der Vorhang öffnete, mischten sich die Schauspieler unters Publikum und suchten das Gespräch. „Sie sind die wirkliche Welt“, stellte einer der Darsteller fest und erntete fröhliches Gelächter. Konventionen auf den Kopf stellten auch die begleitenden Durchsagen. Die Handys könnten eingeschaltet bleiben, hieß es u.a. und: „Essen und trinken Sie. Gehen Sie ruhig raus, wenn Sie mögen, schlagen Sie gerne die Türen laut zu.“
 

Foto © Marco Piecuch

Die Angesprochenen dachten nicht daran. Denn die Szenen auf der Bühne funktionieren tatsächlich wie Streichhölzer, sind kurzweilig und haben stets ihre zündenden Momente. Man erlebt eine Cafébesucherin, die aufgrund der falschen Aussprache von Städtenamen am Nebentisch einen Tobsuchtsanfall bekommt. Ein Mann wehrt sich tapfer gegen den Tick der Ehefrau, ungefragt seine Sätze zu vervollständigen. Erwartungshaltungen werden konsequent unterlaufen. Selbst aus alten Witzen („Kommt ein Mann zum Arzt“) lassen sich Funken schlagen. Der Patient, der erst das Gespräch und dann Stethoskop und Kittel an sich reißt, ist unwiderstehlich komisch.
Rechteckig und praktisch wie Streichholzschachteln sind die alten Koffer, aus denen das Bühnenbild besteht. Mal dienen sie als Sarg, mal als Bank und wenige Minuten später als Rednerpult. Manchmal öffnet sich die Kofferwand, und eine weitere skurrile Figur kommt zum Vorschein. Ein Prachtexemplar ist der Kontraphon-Solist – fast so verkannt wie der Triangel-Spieler, den Georg Kreisler einst besungen hat. Bewaffnet mit einem unförmigen Blasinstrument, wartet der Musiker auf seinen bescheidenen Einsatz und kann dem Dirigenten nur mit Mühe folgen. Auch non-verbale Kommunikation, so die unterschwellige Botschaft, kann gründlich schiefgehen.


Foto © Marco Piecuch

Gut verlief hingegen beim Remscheider Gastspiel die Kommunikation zwischen Bühne und Saal. Als ein Akteur den Kanon „Froh zu sein bedarf es wenig“ anstimmte, sang das Publikum gerne mit. Der Schlußapplaus war nicht weniger ausgelassen.
 
Daniel Diekhans
 
Weitere Informationen:  https://rlt-neuss.de