Von Homer bis Hape Kerkeling

Andreas von Arnauld und Christan Klein – „Weil Bücher unsere Welt verändern“

von A.M. zu Hörstmar

Von Homer bis Hape Kerkeling
 
Weil Bücher unsere Welt verändern
von Andreas von Arnauld und Christian Klein
 
Weltrettung hat derzeit Konjunktur, wenngleich auch die Weltretter häufig nur jene Apokalypse abwenden zu können vorgeben, die sie selbst wortreich beschwören. So nimmt man ein Buch mit dem werbewirksamen Titel Weil Bücher unsere Welt verändern mit einer gewissen Voreingenommenheit in die Hand, verspricht es doch eine Antwort auf die bildungskatastrophengesättigte Frage, warum man in unseren Tagen überhaupt noch Bücher in die Hand nehmen solle. Doch die Heilsbotschaften erwartende Skepsis weicht, liest man die wohltuend schlanke Einleitung dieses von Andreas von Arnauld und Christian Klein als Verfasser verantworteten Buches, die hervorheben, daß Bücher „eine ganz herausragende Rolle, wenn es um Neuerungen im Denken, um kulturellen und gesellschaftlichen Wandel geht“, spielen. Warum diese Funktion aber ausgerechnet Bücher einnehmen und wie deren Einfluß zu erklären sei, soll nun keineswegs in theoretischer Reflexion sondern durch die Aufstellung eines exemplarischen Bücher-Kanons ‚empirisch‘ belegt werden. Zugleich wird deutlich, daß ‚Buch‘ hier weniger als Medium, als Zeichen- und Informationsträger sondern vielmehr als Symptom von mit ihm verbundenen historischen wie kulturellen Prozessen verstanden wird.
Was die vorgelegte Bücherauswahl unausgesprochen zum Bildungskanon erhebt – und die formale Anlage des Buches unterstreicht diesen Eindruck. Es versammelt insgesamt neunundneunzig chronologisch gereihte Essays, denen zur raschen Orientierung neben einer Jahreszahl ein kurzes Abstract vorangestellt wird. Die so versammelte virtuelle Bibliothek umfaßt die Klassiker der Weltliteratur, die nach Ansicht der Verfasser bedeutendsten philosophischen und theologischen Arbeiten, Grundlagen der modernen Psychologie und Soziologie, Gesetzbücher, zentrale Werke zur Architekturgeschichte wie die epochemachenden Abhandlungen in Mathematik, Medizin und den Naturwissenschaften. Werke der Massenkultur wie der Otto-Katalog, Rowlings Harry Potter-Romane oder Kerkelings staunender Pilgerreport Ich bin dann mal weg ergänzen vor allem in jüngster Zeit den von Arnauld und Klein aufgestellten Wissenskatalog. Abgerundet wird das Bildungsspektrum durch Klassiker der Ökonomie (Alfred Müller-Armacks Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft) wie der Ökologie, dem Bericht Grenzen des Wachstums des Club of Rome.
 
Bei der Gewichtung der einzelnen Beiträge lassen sich über den Seitenumfang durchaus Differenzierungen feststellen. Auf drei Seiten werden etwa abgehandelt Sebastian Brant Narrenschiff aus dem Jahre 1494, Albrecht Dürers Underweysung der Messung von 1525 oder Nietzsches Also sprach Zarathustra, 1883 erschienen. Überraschend dabei, daß Horkheimer/Adornos Dialektik der Aufklärung wie auch die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm mit sechs Seiten zumindest über den Umfang mehr Gewicht erhalten als das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit fünf Seiten. In die Klasse der siebenseitigen Superschwergewichte des hier präsentierten Bildungskanons haben es lediglich drei Bücher geschafft, deren Auswahl hingegen leise Zweifel nach den Gewichtungs- wie Urteilskriterien aufkommen lassen: Einsteins Grundlagen der allgemeinen Relativitätstheorie stehen hier neben dem Tagebuch der Anne Frank und – Hitlers Mein Kampf! Fachmännische Wunder, die den Laien staunen lassen. Doch sollen diese äußerlichen Nuancen den Gesamteindruck des Bandes nicht schmälern, der, anders etwa als Dietrich Schwanitz‘ Bestseller Bildung. Alles , was man wissen muß aus dem Jahre 1999, eine kompakte und gut lesbare Enzyklopädie modernen Buchwissens bietet.
Für alle Paten von angehenden Abiturienten ein sehr zu empfehlendes Geschenk für die kommenden Fest- und Weihnachtstage, für den routinierten Leser ein, das man gern in die Hand nimmt, um zu alten Bekannten zurückzukehren aber auch sich dem einen oder anderen berühmten Unbekannten zu nähern.
 
Andreas von Arnauld und Christan Klein – „Weil Bücher unsere Welt verändern“
Vom Nibelungenlied bis Harry Potter
© 2019 Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 400 Seiten, Hardcover mit Klebebindung und Lesezeichen  - ISBN: 978-3-8062-3747-4
28,- €

Weitere Informationen: www.wbg-wissenverbindet.de