Die Schauspielerinnen holen das Optimum heraus.

„After the wedding“ von Bart Freundlich

von Renate Wagner

After the wedding
(USA 2019)

Regie: Bart Freundlich
Mit: Julianne Moore. Michelle Williams. Billy Crudup u.a.
 
Die eine leitet ein von ihr gegründetes Waisenhaus in Kalkutta und kämpft logischerweise immer mit den Finanzen. Die andere hat mehr Geld, als sie je ausgeben kann, und wenn sie dem Waisenhaus 20 Millionen Dollar spenden will, ist das für sie keine große Sache. Was haben zwei solche Frauen, Isabel in Indien, Rheresa in New York, gemeinsam? Nun, man erfährt es in „After the Wedding“, gedreht nach einer ebenso tränenseligen, aber immerhin damals für den Auslands-„Oscar“ nominierten dänischen Vorlage von 2006.
Wie man weiß, drehen sich die Amerikaner Stoffe lieber selbst, statt sie mit Untertiteln und Ausländern auf der Leinwand anzusehen. Und das ist ein „Tear-Jerker“-Klassiker über verdrängte Vergangenheit, die sich die Reichen angenehm zurecht gerichtet haben, während die „Arme“ (in jeder Hinsicht, materiell und menschlich fallen gelassene) ihrem Schicksal überlassen bliebt. Da kann man sich schon vorstellen, wie die Sache läuft, wenn Isabel, um die Millionen für ihr Waisenhaus zu bekommen, zwangsläufig in New York eintreffen muß – rechtzeitig zur Hochzeit von Graces Tochter Abby. Und dann steht Isabel in der Person von Oscar, dem Gatten von Grace, ihr einstiger Liebhaber gegenüber, der sie schmählich verlassen (und die Millionärin geheiratet) hat.
Spätestens da weiß der gewiefte Kinobesucher, wie die Dinge laufen, und es geht jetzt nur darum, die rundum schmerzliche Vergangenheit aufzuarbeiten. Was, wie üblich, vor allem dann nötig wird, wenn ein Mensch seinen nahen Tod ins Auge faßt. Was dergleichen Geschichten dann noch emotionaler und tränenseliger macht.
Also, ehrlich, die Story selbst ist es wohl nicht, die Regisseur Bart Freundlich hier interessiert hat, wenn er sie auch perfekt in der „Reich und schön“-Atmosphäre der Millionäre ausbalanciert. Es ging wohl eher um eine große Rolle für seine Gattin im Leben, Julianne Moore, und diese – die sich von Film zu Film so erstaunlich verwandelt – liefert eine Meisterleistung als reiche Theresa, die meint, alles kaufen zu können. Wenn sie anfangs in ihrer Selbstherrlichkeit regelrecht unsympathisch auftritt, so geht es doch darum, daß das selbstbewußte, selbstgerechte Gehäuse der Erfolgsfrau langsam bröckelt… so wie ihr Leben auch. Keine Frage, das ist brillant.
Dagegen hat Michelle Williams als Isabel wenige Möglichkeiten, die Verliererin von einst, die tief durchatmet, um ihre Gefühle nicht zu zeigen, zumal wenn sie Oscar gegenübersteht, der sich gar nicht freut, sie zu sehen: Billy Crudup hat eine interessante Rolle mit vielen Facetten, man muß ihm einiges glauben, und schließlich tut man es auch.
Und da ist dann noch die junge Grace (Abby Quinn), eine belogene Tochter, die rund um ihre Hochzeit nicht nur mit dem unerwarteten Gast aus Kalkutta, sondern auch einigen Wahrheiten über ihre Herkunft und ihr Leben konfrontiert wird, die nicht leicht zu schlucken sind.
All das liegt so auf der Hand, dass es nicht wirklich spannend ist, auch nicht, als Isabel vor einer – wie Drehbuchautoren meinen würden – „dramatischen“ Entscheidung steht. Das ist ein Schauspielerfilm, Schauspielerinnenfilm, um genau zu sein, und man sieht Moore und Williams mit Interesse zu, was sie aus ihren doch recht aufgelegten Rollen machen. Und kann ihnen nur bewundernd sagen: Sie holen das Optimum heraus.
 
 
Renate Wagner