Abgründe...

„Der Leuchtturm“ von Robert Eggers

von Renate Wagner

Der Leuchtturm
(The Lighthouse - USA 2019)

Drehbuch und Regie: Robert Eggers
Mit: Willem Dafoe, Robert Pattinson
 
Eine Welt in Schwarz, Weiß und vielen Grautönen: Solche Filme (konsequent auf Farbe verzichtend) werden heute kaum mehr gedreht. Allerdings weiß man um den Effekt dieser Licht-und-sehr-viel-Dunkel-Spielereien: Er ist stark und macht sicher einen Teil der Wirkung von „Der Leuchttum“ aus.
Ende des 19. Jahrhunderts. Ein Leuchtturm, irgendwo auf einer felsigen Insel an der kanadischen Küste. Hier tun zwei Männer jeweils einen Monat Dienst. Vier Wochen ausschließlich den anderen als Partner – da ist die Frage, ob das gut geht. „Boredom makes men to villains“, knurrt der Ältere der beiden – es ist Willem Dafoe als Thomas Wake, die Haare struppig, der Dialekt breit, kaum zu erkennen, hintergründig von der ersten Sekunde an.
Aber auch der sonst so schöne Robert Pattinson als Neuankömmling Ephraim Winslow irrlichtert von Anfang an: Hohläugig tritt er seinen Dienst bei dem Oldie an, und natürlich wird es eine Geschichte der Machtverteilung. Sie reden Prolo-Sprache und kämpfen erst auf dieser Ebene. Widerspruch verträgt der alte Wake nicht, der Neuling wird ungefragt für die „niedrigen Dienste“ eingeteilt. Die Frage ist nur, wie lange sich Winslow das gefallen läßt.
Die wütende See, der Sturm draußen machen Arbeit, aber meist sind sie miteinander in ihre Hütte eingesperrt. Wo es noch besser ist als in der wilden Natur, die hier nichts von Schönheit und Erhabenheit hat, sondern nur von Gefahr. Selbst vor Möwen muß man sich fürchten.
 
Drinnen labert der Alte den Jungen (dessen Namen er die längste Zeit nicht erfragt) vollmundig belehrend zu, der andere ist spürbar gelangweilt, aber es gibt kein Entkommen. Man erzählt sich annähernd die Lebensgeschichten. Immer dasselbe, meint der Alte. Die Musik zieht im Hintergrund an, macht den Zuschauer darauf aufmerksam, daß die Geschichte zunehmend bedrohlich wird.
Sie saufen immer exzessiver, sie singen, sie randalieren, und man sitzt im Kino, schaut diesen beiden faszinierenden Unglücksgestalten zu und fragt sich: Wohin wird das führen?
Zu einer Art von Koller, zu Halluzinationen, zu gesteigerter gegenseitiger Ablehnung. Sie brüllen einander an, tauschen Psychoterror aus. Die Bilder werden immer rätselhafter, die Geschichte immer theatralischer, die Auseinandersetzung immer gröber. Seemannsgarn… und wenn das Ende der vier Wochen gar nicht das Ende für die beiden ist, sondern sie sich gegenseitig weiter die Sartre’sche Hölle bereiten müssen?
 
Gedreht auf einer echten Leuchtturm-Insel mit Vulkangestein in Nova Scotia, ist das Atmosphärische (das nach und nach mehr und mehr den Boden der Realität verläßt) das eine As dieses Films, für den sich Robert Eggers (zusammen mit Max Eggers) das Drehbuch geschrieben hat. Das andere ist die Interaktion der Darsteller, wobei Robert Pattison wunderbar dem grandiosen Willem Dafoe (der manchmal schamlos „draufdrückt“) standhält. Schließlich taucht alles in diesem Film uneitel in Abgründe hinab… eigentlich ist es fast eine Horrorgeschichte. Und so einförmig die Handlung wirkt, so spannend bleibt sie. Was immerhin ein Kunststück ist.
 
 
Renate Wagner
 
Die Unabhängige gemeinsame Filmbewertungskommission der Länder verlieh das Prädikat: Sehenswert