„Davon glaube ich kein Wort!“

Niels Bohr in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
„Davon glaube ich kein Wort!“
 
Niels Bohr in der Anekdote

 Von Ernst Peter Fischer

Prüfung mit Barometer
 
Viele Menschen glauben inzwischen mit wachsendem Vergnügen an Anekdoten, die über Niels Bohr erzählt werden, auch wenn sie nur noch das Internet als Quelle kennen. Hier findet man zum Beispiel die folgende Erzählung, die von dem Studenten Bohr handelt, der in einer Prüfung gebeten wurde, der Kommission zu erklären, wie man mit einem Barometer die Höhe eines Gebäudes ermittelt, zum Beispiel die des Gebäudes, in dem die Prüfung stattfindet. Dabei sollte sich dem Vernehmen nach folgender Dialog abgespielt haben:
„Herr Bohr, wie bestimmen Sie die Höhe eines Gebäudes mit einem Barometer?“
„Ganz einfach. Nehmen wir zum Beispiel dieses Institut. Ich nehme das Barometer, klettere auf das Dach, werfe es nach unten und bestimme die Falldauer, aus der man mit einer einfachen Gleichung die Höhe berechnen kann.“
„Herr Bohr, etwas weniger zerstörerisch und eleganter, bitte“.
„Ganz einfach. Ich klettere wieder auf das Dach, nehme ein Seil mit, binde das Barometer daran fest, lasse es auf die Straße herunter und messe die Seillänge.“
„Herr Bohr, es geht hier um Physik, und davon müssen sie etwas mehr einsetzen, bitte.“
„Ganz einfach. Ich bleibe bei dem Seil und lasse das Barometer als Pendel schwingen, bestimme die Schwingungsdauer bei gegebener Pendellänge und berechne daraus mit der bekannten Formel … „
„Herr Bohr, das geht doch genauer und einfacher mit etwas mehr Mathematik, bitte.“
„Ganz einfach. Ich warte auf Sonnenschein, bestimme die Länge des Schattens, den das Barometer wirft, bestimme zugleich die Länge des Schattens, den das Gebäude wirft, und kann durch ein wenig Trigonometrie ausrechnen, was Sie wissen wollen, wenn ich die mir bekannten Maße des Barometers dabei einsetze.“
„Herr Bohr, das klingt alles nicht undurchführbar, aber geht es nicht einfacher und direkter, und zwar mit der besonderen Qualität und Funktionsweise das Geräts, mit dem Sie hantieren?“
„Doch. Ich gehe zum Hausmeister und frage ihn, ob er weiß, wie hoch das Gebäude ist. Wenn er es weiß und mir sagt, schenke ich ihm das Barometer.“
Als das Publikum nicht mehr aus dem Lachen und die Prüfungskommission nicht mehr aus dem Kopfschütteln herauskamen, fügte Bohr mit seinem verzaubernden Lächeln noch hinzu, „Natürlich kann man mit dem Barometer auch den Unterschied im Luftdruck zwischen der Parterre und dem Dachgeschoß ermitteln, ihre Differenz bilden und mit Hilfe dieser gemessenen und berechneten Zahlen und dank der barometrischen Höhenformel die gestellte Frage beantworten, aber das steht doch so im Lehrbuch, und dann wissen Sie das ja schon.“
                Zu den Physikern, die solche Geschichten selbst gerne erzählt und Bohr persönlich gekannt haben, gehört Carl Friedrich von Weizsäcker, der den Dänen als den Sokrates der Physik bezeichnet, der immer die richtigen Fragen zu stellen wußte und sich nie mit den Antworten zufrieden gab. Als Bohr dieser Vergleich mit Sokrates zu Ohren kam, erzählte er die folgende Geschichte über den griechischen Philosophen:
                Nachdem Sokrates mit einem anderen Philosophen – einem Sophisten – gesprochen hatte, brach sein Gesprächspartner zu einer längeren Reise durch Kleinasien auf. Nach der Rückkehr spazierte der Sophist erneut durch sie Straßen Athens und traf dabei – wen sonst? – Sokrates im Gespräch mit anderen. „Meine Güte“, rief der Philosoph aus, der hier ungenannt bleiben soll, „da bist du ja immer noch, Sokrates, und sagst dasselbe über dieselben Dinge.“ „Natürlich“, erwiderte der Angesprochene“, „das mache ich, während du, als schlauer Mann, sicher niemals dasselbe über dieselben Dinge sagst.“
 
 
© Ernst Peter Fischer
Aus: „Davon glaube ich kein Wort!“
Anekdoten und Geschichten aus der Welt der Wissenschaft
 Redaktion: Frank Becker