Sternschnuppen

Ein Reisefieber

von Rolf Nöckel

Rolf Nöckel - Foto © Frank Becker

Sternschnuppen
 
Na, Du Weltenbummler, welche war denn Deine schönste Reise von allen?” Die Frage kann ich ohne Zögern beantworten: „Die blaue."
 
Die Blaue Reise, so heißt eine Sieben-Tage-Tour auf einem Motorsegelschiff entlang der türkischen Küste. Alle Mann in einem Boot: Das kann fürchterlich in die Hose gehen. Aber wenn die sechs Passagiere auf einer Wellenlänge schippern, dann werden es Traumtage. Und Traumnächte. Wie damals.
 
Alle Mann an Deck! Unter dem funkelnden Sternenhimmel zirpen die Grillen. Sanft plätschert das Wasser gegen die Bordwand. In der Luft liegt eine seltene Mischung aus Melancholie und Ausgelassenheit. Manni nimmt die Gitarre und alle, auch die türkische Schiffsbesatzung, singen gemeinsam Beatles-Songs. „Michelle, ma belle. . .” Wir schlafen im Freien, quatschen über Gott und die Welt, trinken Rotwein. Und allen wird herrlich leicht ums Herz.
 
Manchmal, wenn im Pressehaus das Telefon zum x-ten Mal bimmelt, der Computer streikt, der Regen gegen die Fensterscheibe prasselt - dann denke ich an die Bucht der Schildkröten, an Schafskäse zum Frühstück und Nudeln um Mitternacht, an fröhliche Menschen. Und an meine vielen Wünsche für jede verglühende Sternschnuppe am Himmel über der Ägäis. Wünsche, die dann doch nicht in Erfüllung gingen.
 
 
Mit freundlicher Erlaubnis aus „Kompass und Wind“ von Rolf Nöckel (1953-2017)
2005 WDL-Verlag, Berlin