Schöne Gesellschaft

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Schöne Gesellschaft

Abendlandmänner und -frauen, Neuropäer und Neurotiker,
Puritaner und Narkotiker,
Eine schöne Gesellschaft.
Eine schöne programmierte Gesellschaft.
Händels Wassermusik als Kapitulationsverschnauferl.
Differenziert sein ist alles.
In der einen Hand die Lebensangstpapiere
In der andren die ideologische Thermosflasche
Ja, wer sind wir eigentlich, du und ich?

Längstens integriert und eingeplant
Aufgekauft und schön verzahnt
Bilden wir uns ein
Deutschlands bess're Hälfte stets zu sein.

Sind wir Menschen oder -isten?
Fetischisten oder Christen,
Heilsarmee und Offiziere, sind wir Menschen oder Tiere?
Ja, was sind wir eigentlich, du und ich?

Wolln wir Dutschke oder Paulus?
Ja, was wolln wir eigentlich, du und ich?
Wollen wir die eingebrockte Suppe löffeln
Oder nur noch viel Moneten scheffeln?

Ohne Zweifel, wir sind gute, mit allen Gesichtswassern
Gewaschene Demokraten, wir sind tolerant, und wir sagen:
Ja, man müsste, ja man sollte, möchte ich meinen, meinen Sie nicht
Auch. -
Und so stelzen wir im Kreise unserer programmierten sauberen
Gesellschaft
Und verneinen die Revolte.
Ziehen uns aufs Land zurück, sammeln Bilder, und wovon wir
Einst geträumt, das liegt weit zurück:
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Wolln wir das den jungen Leuten überlassen?
Wollen wir nicht doch nochmal die Chance beim Schopfe fassen,
Und das bißchen Eitelkeit, unser sogenanntes Wissen um die Dinge
Unsre Virtuose Skepsis einmal nicht so wichtig nehmen?
Sind wir denn schon fertig, wirklich fertig - mit den alten Themen?
Frag ich mich - häufig.

Wolln wir nicht den Herrn noch einmal sagen, daß sie unsre
Diener sind?


Hanns Dieter Hüsch


© Chris Rasche Hüsch
Veröffentlichung aus „Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.