„Davon glaube ich kein Wort!“

Anekdoten und Geschichten aus der Welt der Wissenschaft

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
„Davon glaube ich kein Wort!“
 
Anekdoten und Geschichten aus der Welt der Wissenschaft

 Von Ernst Peter Fischer

Noch mehr Physiker
 
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts konnten die Physiker spüren, daß große Dinge bevorstanden. Max Planck hatte im Herbst 1900 das Quantum der Wirkung eingeführt, mit dessen Hilfe bald das herrlich dastehende Gebäude der Klassischen Physik zum Einsturz gebracht wurde, und kräftig dazu beitragen konnte Albert Einstein in seinem Wunderjahr 1905, in dem er zeigte, wie wenig man bislang vom Licht verstanden hatte. „Theorie der Strahlung und Quanten“ – so hieß dann 1911 auch die erste in der bald berühmten Reihe von Solvay Konferenzen, die der spätere Nobelpreisträger Walter Nernst initiieren konnte, nachdem er den belgischen Großindustriellen Ernest Solvay als Namensgeber und Mäzen gewinnen konnte. Die berühmteste Solvay Konferenz fand 1927 über „Elektronen und Photonen“ statt. Von den Teilnehmern dieser Konferenz existiert ein wunderbares Gruppenbild, auf dem viele der Physiker zu sehen sind, von denen hier erzählt wird, wobei man sich das Bild ruhig auch unter dem Aspekt anschauen sollte, daß die Wissenschaft der Physik damals noch nahezu vollkommen unschuldig in friedlichen Zeiten betrieben werden konnte, bevor das Böse nach und aus Deutschland kam. Es gibt ein Buch von Jean Medawar und David Pyke, das die Geschichte der Wissenschaftler beschreibt, die das Nazi-Regime vertrieben. Es heißt „Hitler´s Gift“, also „Hitlers Geschenk“ an die Menschheit außerhalb des Dritten Reichs, und das Titelbild zeigt die Mitglieder der Solvay Konferenz von 1927. Sie sind das Geschenk an die Welt, auch wenn viele sozialwissenschaftlich denkende Historiker dies noch nicht bemerkt haben und die meisten der gezeigten Gesichter nicht kennen.
 

Fünfte Solvay Koferenz 1927 - Foto: Benjamin Couprie, Institut International de Physique de Solvay
 
           Übrigens – in dem Jahr, in dem die erste Solvay Konferenz stattfand, stellte der aus Neuseeland stammende und im britischen Manchester tätige Ernest Rutherford zum ersten Mal durch Streuexperimente fest, was heute jeder zu wissen scheint, daß nämlich Atome einen Kern haben. Rutherford hatte radioaktive Strahlen auf dünne Goldfolien gelenkt und gemerkt, daß nicht das gesamte hoch energetischen Licht durch die Schicht hindurchging, sondern einige Strahlen zurückgeschleudert wurden. Heute kann man zwar sagen, daß sich dadurch die Atomkerne zu erkennen geben, doch das konnte Rutherford noch nicht wissen, der seiner große Überraschung durch die experimentelle Beobachtung in den Satz kleidete, „Das ist so, als ob man mit einem Maschinengewehr auf eine Zeitung schießt und dann feststellt, daß einige der Kugeln zu einem zurückkommen.“
           Hier sollen noch andere Geschichten zu einigen der Physiker erzählt werden, die auf dem Bild von 1927 zu sehen sind, nachdem zuerst von dem Chemiker Walther Nernst die Rede ist, der die Konferenzen ins Leben gerufen hat, aber wie der Fotograf nicht auf dem Bild zu sehen ist. Nernst und Einstein gerieten bei Kolloquien oftmals in hitzige Debatten, in deren Verlauf Nernst einmal gesagt haben soll, „Aber lieber Einstein, heute sagen Sie das Gegenteil von dem, was Sie beim letzten Treffen gesagt haben.“ Woraufhin der Angesprochene freundlich erwiderte, „Was kann ich denn dafür, daß Gott die Welt anders gemacht hat, als ich vor einigen Wochen noch gemeint habe?“
           Als Nernst einmal die Ehre hatte, dem deutschen Kaiser und seiner Gemahlin eine Radioübertragung vorzuführen, hatte er eine Schallplattenaufnahme mit einem Lied ausgewählt, das der berühmte Tenor Enrico Caruso sang. Nach der Übertragung wurde Nernst ins Schloß eingeladen, und die Kaiserin lobte ihn, „Herr Professor, ich wußte gar nicht, daß Sie so gut singen können.“
           Nernst beschäftigte sich nach seiner Emeritierung mit Fragen zum Aufbau des Weltalls, und seine Frau meinte einmal, ihr Mann trete seit einiger Zeit so auf, als sei er bereits einmal im Himmel gewesen. Und bei dieser Gelegenheit habe er den Leuten dort oben gesagt, wie sie alles besser machen könnten.
 
 
© Ernst Peter Fischer
Aus: „Davon glaube ich kein Wort!“
Anekdoten und Geschichten aus der Welt der Wissenschaft
 Redaktion: Frank Becker