„Zum Licht“

Eine flammendes Kunstwerk von Tony Cragg für die Universität Wuppertal

von Johannes Vesper (Text) und Karl-Heinz Krauskopf (Fotos)


„Zum Licht“
 
Eine flammendes Kunstwerk von Tony Cragg
für die Universität Wuppertal
 
Von Johannes Vesper
 
Wuppertal ist seit jeher eine Stadt der Wissenschaft und Kunst. Daran wurde schon 2013 bei der Aufstellung der großen Cragg-Skulptur „Domagk“ vor dem Zoo erinnert. Der Bildhauer fühlt sich seiner Wahlheimat als „glücklicher Wuppertaler“ verbunden, unterstützt die Bergische Universität seit Jahren (u.a. durch seine Tätigkeit im Hochschulrat) und hat ihr jetzt seine Skulptur „Zum Licht“ geschenkt. Damit will er die Universität als Raum der Begegnung zwischen Lehrenden und Studierenden markieren. Auch die Bürger der Stadt werden diese große Skulptur von Tony Cragg als Identifikationskern der Wissenschaft und der Weltoffenheit im Kopf behalten. Seine Skulpturen sah ich in Paris und New York, in Houston und Salzburg, in Luzern und Wien. Darüber hinaus sieht man sie  aber auch auf der ganzen Welt. Noch 2019 wurden im herrlichen Skulpturenpark von New Orleans Skulpturen von Sir Anthony Cragg aufgestellt. Im seit 1970 geführten internationalen Kunstkompass wird Tony Cragg unter den 100 einflußreichsten Künstlern der Welt auf Platz 6 gelistet.
 
Als er mit der Bildhauerei begann, zerschlug er diese vielleicht älteste Kunst des homo sapiens aber erst einmal und verteilte Bruchstücke von zerstörten Backsteinen (Crushed Rubble 1977) oder Tellern (Four broken plates 1975) auf dem Boden. Seit dieser revolutionären Tat ist die Skulptur als komplexes Zeichen neuer Orts- und Naturerfahrung, sowie die Veränderung des Ortes durch sie sein Thema. Was Tony Cragg seitdem an Formen und Ideen hervor- und in verschiedensten Materialien uns vor Augen gebracht hat, zeigt die nahezu grenzenlose Kraft der Fantasie, die in anderem Zusammenhängen auch Pina Bausch kannte. Gerne würde er bei der Erfindung seiner Formen von „göttlicher Inspiration“ sprechen, fuhr aber im Gespräch fort, daß alle seine Werke auf vorangegangenen beruhen, weiterentwickelt wurden und wieder zu neuen führen. Stapel und Materialkombinationen aus Holz, Glas, Steinen u.a. prägten viele Jahre seine Formgebung (siehe auch die Skulptur vor der Junior Uni 2018). Frühe Werke mit Rundhaken aus Metall in Weichholz (Schrank, Stuhl, Kugel) scheinen virale Oberflächen vorweg zu nehmen. Seine riesige und lange künstlerische Entwicklung von „early forms“, über „rational beeings“ und tanzenden Säulen bis hin zu aktuellen Skulpturen kann hier nicht nachvollzogen werden. Dazu bot die große Retrospektive im von der Heydt-Museum 2016 (Katalog „PARTS OF THE WORLD“, Verlag W. König) und bietet der skulptural-mythische Wald des Skulpturenparks Waldfrieden immer wieder Gelegenheit - dort noch erweitert durch wechselnde Präsentationen von Werken seiner Künstlerfreunde aus aller Welt.
Daß trotz der aktuell katastrophalen Zeiten, in denen virusbedingt Kunst und Kultur als gemeinsame menschliche Erfahrung Lebensgefahr bedeuten, diese neue Skulptur von Tony Cragg an der Universität in Wuppertal aufgestellt wird, zeigt in besonderer Weise die Macht von Ideen und Gedanken, die sich bei dieser zum Licht strebenden Arbeit des Bildhauers figural manifestieren.
 

Foto © Frank Becker

Zwischen gradlinig-quaderförmigen modernen Architekturblöcken mit hohen Glasfronten ragt die neue rot lackierte und planvoll abgeschliffene Skulptur hoch und weich auf. Rektor Prof. Lambert T. Koch sprach dem Künstler bei der Aufstellung unter großem Medieninteresse seinen tiefen Dank aus, zeigte zugleich seinen Stolz auf dieses Kunstwerk und äußerte seine Überzeugung von ihrer Strahlkraft und der grandiosen Wirkung auf Universitätsangehörige und Gäste, die bei zahlreichen auch internationalen Kongressen diesen kleinen Platz erleben werden. Hier könne diskutiert und auch pausiert werden. Die Betonquader zwischen Skulptur und Baum vor dem Eingang der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik laden zum Sitzen ein, sagte er und er sieht diesen Ort als Keimzelle des Campus, als Agora der Universität. Tony Cragg sprach dazu über Realität und Energie: „So wie Pflanzen zum Licht streben, strebt der Mensch nach Wissen – nur so können wir existieren. Dafür steht die Skulptur hier“. Insgesamt habe er ca. zwei Jahre an ihrer Realisierung gearbeitet: zunächst mit seinem Team im Atelier, bevor sie in der Gießerei Kayser in Aluminium gegossen und die zahlreichen Teilgußformen zusammengesetzt worden sei. Da sich bei Aluminium auch auf Dauer keine schöne Patina entwickele, sei die Skulptur lackiert worden. Die rote Farbe passe an den Ort. Durch Abschleifen der Farbe seien die lebendigen Flecken auf der Oberfläche entstanden. Formal gehöre die Figur zu seinen Werken der Reihe „industrial nature“, die ihn mit ihrem Kontrast zwischen zentraler Konstruktion und sich daran schmiegenden organisch-blattartigen Metall-Flügeln seit einigen Jahren besonders interessiere.


Zukünftig können Besucher und Spaziergänger aus der Stadt hinauf zur Gralsburg moderner Wissenschaften wandeln, den schönen Blick von der Mensa-Terrasse auf die Stadt genießen und  nur wenig Schritte weiter beim Anblick der Skulptur erleben, welche Raumwirkung dieses mit eben angedeuteter Biegung trotz des Gewichts von 2,5 Tonnen elegante Denkmal der Wissenschaften auf den Betrachter entfaltet. Beim Herumgehen um die Skulptur, beim Blick aus verschiedenen Richtungen und auf die Spiegelungen in verschiedenen Glasfassaden zeigen sich unterschiedlichste Formen ihrer Oberfläche und inneren Struktur, die jeden Gedanken an und jede Assoziation zum Licht der Erkenntnis zulassen. Der Wechsel zwischen neuen Ansichten und dem Verlust alter beim Umkreisen der Skulptur weckt Sensibilität und Verständnis für unsere Welt. Daran arbeitet dieser  einzigartige Bildhauer mit seinem Material und ist davon überzeugt, „daß die Bildhauerei, vielleicht manchmal mehr als jede andere künstlerische oder kulturelle Tätigkeiten Instrument ist, um eine bessere Welt zu schaffen“.
 

„Zum Licht“, Lambert T. Koch und Tony  Cragg - Foto © Karl-Heinz Krauskopf 

Wie kam es zu dieser Skulptur, deren Name „Zum Licht“ Versprechen und Verpflichtung ist? Schon vor einigen Jahren schon kam im Gespräch zwischen Lambert Koch und Tony Cragg die Idee zu einer Skulptur für die Universität auf. Elegante Neubauten prägten inzwischen den öffentlichen Raum an der Gaußstraße, an der gegenüber dem Haupteingang zum Audimax die 7 m hohe Skulptur ihren Platz finden sollte. Bei zahlreichen Ortsterminen entwickelte Cragg das Konzept mit Berücksichtigung des gewünschten Kontrastes des Werks zur umgebenden Architektur. Zwei ganze Jahre arbeiteten er und sein Team an der Realisierung. Vorgestern endlich, am 23.04.2020 wurde sie mit Hilfe eines großen Spezialkrans aufgestellt, unter den prüfenden Blicken des Bildhauers aus verschiedenen Richtungen und unterschiedlicher Entfernung ganz zuletzt noch ca. 20 Grad nach rechts in die richtige Richtung gedreht, um dann mit ihrer zentralen inneren Stahlsäule auf den niedrigen Sockel gestellt bzw. ca. 2 m tief in das vorgefertigte Fundament einbetoniert zu werden. Mindestens 24 Stunden mußte sie am Haken des hohen Krans angebunden bleiben, bis der Beton ihres Sockels abgebunden hatte. Jetzt schmückt „Zum Licht“ als lebendiges Zeichen der Weltoffenheit einen zentralen Platz der unter ihrem Rektor Lambert T. Koch prosperierenden Bergischen Universität.
 
 
„Zum Licht“, Lambert T. Koch und Tony  Cragg - Foto © Frank Becker


Ein Blick zurück... - Foto © Johannes Vesper

Mit Unterstützung des Landes NRW und der Kunststiftung NRW ist dieses großzügige Geschenk ermöglicht worden. Die Universität selbst hat die Materialkosten beigesteuert. Zur Aufstellung war eigentlich ein Fest mit großem Publikum geplant. Wegen Corona konnten nur Pressevertreter kommen. Rektor und Künstler feierten allein zu zweit. Das ließ das Virus zu.
 
Fotos: Karl Heinz-Krauskopf
Redaktion: Frank Becker