Das leere Rechteck

Wolfgang Pauli in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
„Davon glaube ich kein Wort!“
 
Wolfgang Pauli in der Anekdote

 Von Ernst Peter Fischer

 
Das leere Rechteck
 
Da der österreichische Physiker und nachmalige Nobelpreisträger Wolfgang Pauli in der Schweiz wohnte, unterlag er nicht dem in Deutschland eingeführten politischen Zwang, Briefe an die Regierung oder amtliche Stellen – etwa zur Einwerbung von Finanzmitteln – mit „Heil Hitler“ zu schließen. Als ihm ein Kollege aus Berlin verriet, wie schwer ihm dieser Nazi-Gruß und diese unterwürfige Geste falle und wie viel schöner doch „Mit den besten Grüßen“ klinge, meinte Pauli, man könne ruhig und ohne schlechtes Gewissen der staatlichen Vorschrift folgen. Schließlich sei die offizielle Grußformel doch genauso verlogen wie die bürgerliche Floskel.
 
     Paulis oftmals zynischen Bemerkungen machten auch keinen Halt vor den ganz Großen der Wissenschaft, wie man an dem Beispiel seines Freundes Werner Heisenberg sehen kann, der 1933 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet worden war und am Ende der 1950er Jahre sich an einer Weltformel versuchte. Als Heisenberg meinte, sie gefunden zu haben und dies in einem Rundfunkinterview auch gesagt hatte, schrieb Pauli dem mit ihm befreundeten russischen Physiker George Gamow einen Brief, in dem ein leeres Rechteck zu sehen war, unter dem man in Paulis Handschrift lesen konnte: „Das soll der Welt zeigen, daß ich wie Tizian malen kann. Es fehlen nur die technischen Details.“
 
     Als Pauli dies schrieb, war auf experimentellem Wege nachgewiesen und ihm klar geworden, daß er seine früher erwähnte Wette um eine Kiste Champagner wegen des nah am Nichts postulierten Teilchens verloren hatte – und der Champagner wurde sogar bezahlt und getrunken –, aber der ganze Vorgang hatte sein Ansehen nur vergrößert, denn unter den Physikern konnte nur so ein zweifelnder Teufel wie er überhaupt Wetten anbieten. Seine Kollegen kannten so etwas nur aus Goethes „Faust“, also dem Drama, in dem der Teufel gleich zwei Wetten anbietet, eine erste dem hohen Herrn im Himmel persönlich um die Seele des verzweifelten Faust auf Erden, und eine zweite dem Gelehrten selbst, dem er – erneut für seine Seele als Gegenleistung – einen höchsten Augenblick zu liefern verspricht, wobei bis heute niemand weiß und die Philologen darüber streiten, wen Goethe die teuflischen Wetten am Ende des Dramas hat gewinnen lassen (siehe: Faust in Kopenhagen).
 
 
© Ernst Peter Fischer
Aus: „Davon glaube ich kein Wort!“
Anekdoten und Geschichten aus der Welt der Wissenschaft
 Redaktion: Frank Becker