Die Kirmes im historischen Kontext

Volkskundler des Landschaftsverbandes Rheinland untersuchen die Geschichte des einst kirchehlichen Volksfestes

von Andreas Rehnolt

www.musenblaetter.de

Volkskundler untersuchen
Kirmesbräuche im Rheinland


Riesenrad, Zuckerwatte und Losbuden sind nach wie vor Synonyme für Schützenfeste an Rhein und Ruhr


Köln
- Kirmestanz, Pferdekarussell und Riesenrad stehen im Zentrum einer Untersuchung von Volksundlern des Landschaftsverbandes Rheinland, die vergangene und aktuelle Kirmesbräuche erforschen soll. Nach Angaben des Verbandes in Köln haben die Freiluft-Spektakel ihre historischen Ursprünge im Kirchweihfest. Eine Fahrt auf dem Riesenrad, klebrigsüße Zuckerwatte und Losbuden seien Synonyme für die Kirmes, die derzeit vor allem im Rheinland Hochsaison hat, hieß es weiter.

"Das Wort Kirmes geht auf das mittelhochdeutsche Wort "Kirmesse" zurück und bezeichnet ursprünglich die Messe, die zum Kirchweihtag gelesen wurde. Das Kirchweihfest wurde jedes Jahr am Gedenktag der Einweihung der jeweiligen Ortskirche gefeiert", so der Volkskundler des Verbandes, Alois Döring. Besonders seit dem 19. Jahrhundert haben sich nach seinen Angaben neben den traditionell kirchlich geprägten Kirmesfesten aber auch andere Formen etabliert, die unter den Bezeichnungen Früh-, Nach- und Spätkirmes, Herbst-, Fisch-, Reibekuchen- oder Zwetschgenkirmes seit jeher Besucher in Scharen anlocken.

Bereits Papst Gregor der Große soll im siebten Jahrhundert die Anweisung gegeben haben, heidnische Opferfeste im christlichen Sinne umzuformen. In Zelten aus Baumzweigen, die um die Kirche gebaut wurden, fanden laut Verband schon im sechsten Jahrhundert gemeinsame Mahlzeiten statt. Im Mittelalter kam erstmals die Idee auf, an den Kirmestagen Spiele für Erwachsene und Jugendliche anzubieten. Dazu gehörten etwa Würfel- und Kegelspiele. Sie hätten in der Folge viel Zulauf gehabt und so mancher Spieler habe sich dabei um Haus und Hof gebracht, so die Volkskundler weiter. Immer beliebter wurde später auch der Kirmestanz. Die teilnehmenden Paare tanzten um Kuchen, Kränze, Brezeln oder Hammel. Seit den 1980er Jahren ging dieser Brauch allerdings stark zurück.

"Ganz spezielle Wettbewerbe sind in den vergangenen Jahrzehnten völlig verloren gegangen. Aber das Schürreskarrenrennen ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden", so Döring. Dabei wird eine Schubkarre mit einer Person so schnell wie möglich über eine Hindernisstrecke geschoben. Besonders im Köln-Bonner Raum, in der Nordeifel und im Bergischen Land findet man diesen Brauch seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Auch das Aufstellen des Kirmesbaumes gehört im Rheinland selbstverständlich zum Volksfest dazu. Meist ist er mit Kränzen und Krepppapier geschmückt und wird so hingestellt, daß er von weitem zu sehen ist und Besucherinnen und Besucher anlockt.

Im Raum Köln-Bonn-Siegburg, im Bergischen Land, in der Nordeifel und im Gelderland wird der Kirmesmann, eine mit Stroh ausgestopfte und mit Lumpen bekleidete, lebensgroße Puppe, aufgehängt. Die Puppe, die im Köln-Bonner Raum "Zacheies", im Rhein-Sieg-Kreis oder im Rheinisch-Bergischen Kreis "Paias", im Euskirchener Land "Kirmespitter" und im Gelderland "Kirmeskaatje" heißt, wird häufig in einen Baum gesetzt, von wo aus sie das Kirmestreiben beobachten und bewachen soll. Der Name "Zacheies" geht wahrscheinlich auf den Zöllner Zachäus zurück, der nach biblischer Überlieferung auf einen Baum klettern mußte, um Jesus zu sehen. Am Ende der Kirmes wird der Kirmesmann vielerorts wegen aller Vorkommnisse und Schandtaten verurteilt, die während der Festtage geschehen sind und verbrannt oder ertränkt.

Ein Kirmestreiben wie wir es heute kennen, entwickelte sich erst im 19. Jahrhundert. Seit den 1820er Jahren gibt es die ersten Fahrgeschäfte wie etwa das Pferdekarussell. Aber egal ob mit Pferdekarussell, Kirmestanz oder Riesenrad, Kirmes ist vielerorts laut Landschaftsverband nach wie vor in vielen Städten und Gemeinden des Rheinlads das Ereignis des Jahres.