Hermann Schulz
hat Geburtstag Reflexionen seines Freundes
Karl Otto Mühl Wird er gerne 70? Falls nicht, müßte es ihn über das Älterwerden hinwegtrösten, daß er inzwischen ganz schön berühmt ist. Als Erzähler, als der er plötzlich heraustrat, als seine Schnurrbartspritzen schon zu ergrauen begannen, aber es war das Grau, das auch die Männer aus dem Mittelmeerraum so zeitlos jugendlich aussehen läßt. Also kein Grund zur Sorge. Die Zahl 70 paßt freilich nicht zu ihm; nicht das Sitzen ihm Lehnstuhl. Ich denke, er wird sie und das Älterwerden nicht weiter beachten. Seine Sache ist die Tatkraft und die Aktion.
Ist er fromm? Das würde er nicht hören wollen, höchstens eine freundliche Nähe zur Religion und ihren Leuten
Ist er Idealist? Schon wieder etwas, was er nicht zugeben wird. Sein Ton ist schließlich sachlich, nicht schwärmerisch. Aber beides zusammen ist eben auch möglich. Er liebt die Menschen und das Leben, und in seinem Leben gab es keine Zeit, in der sich nicht für Ideale einsetzte. Bekannt ist sein Einsatz für den Freiheitskampf in Nicaragua. Und er selbst wird oft zum Ideal für andere, die so sein möchten wie er, oder so erfolgreich. .
Was interessiert mehr – er oder seine Bücher? Also ehrlich, beides. Viele mögen ihn, fühlen und erleben sich von ihm bestärkt, beraten, respektiert und vor allem – verstanden. Und Rat weiß er auch immer, denn die Leute der schreibenden Zunft, die sich an ihn wenden, treffen auf einen Verleger, und das sind Fachleute, Überlebensspezialisten, Ideenproduzenten. Er ist einer, der seinen Ideen auch das Handeln folgen lässt, und viele schulden ihm Dank.
Er näherte sich bereits dem Ende seines Berufslebens als Verlagsleiter, als er gezielt Bücher zu schreiben begann. Ich freute mich schon bei seinen ersten Büchern, in seiner klaren, nüchternen Sprache wieder einen Beleg dafür zu finden, daß die Sprache, und scheine sie noch so zurückhaltend, immer fähig ist, das Unnennbare, aber zutiefst Gefühlte, zu transportieren – hier in „Sonnennebel“ die Schwermut der niederrheinischen Heimat, von der er ein Teil ist; in „Auf dem Strom“, die Sprache der Menschlichkeit, die Ureinwohner mindestens so gut sprechen wie der Missionar, der mit seiner kranken Tochter auf dem Fluß zu einer Krankenstation unterwegs ist.
Diesen Büchern sind andere gefolgt, Erzählungen aus Afrika, der Türkei, aus Weißrußland, die ein großes Publikum von Jugendlichen und Erwachsenen faszinieren. Beim manchen erfreut allein schon der Titel, wie „Dem Häuptling stiehlt man nicht das Affenfell“ oder „Wenn dich der Löwe nach der Uhrzeit fragt“.
Man sieht, an Einfällen mangelt es ihm nicht Da gibt es Einfälle, die schlagen ein wie der Blitz. Und damit sind jetzt seine Kinderbücher gemeint. Zwei seien genannt: „Sein erster Fisch“ und „Die schlaue Mama Sambona“. Der Schlüssel-Einfall ist jeweils so verblüffend, so lebensnah und so aufrichtig, daß die breite Resonanz keinen Augenblick verwundert. „Sein erster Fisch“: Ein kleiner Junge lernt, daß man die Jagdbeute töten muß. Es ist ein Reifungsschritt.
„Die schlaue Mama Sambona“: Auch der Tod unterliegt Gesetzen und Mächten, aber natürlich ist er stärker als der Mensch, ausgenommen Mama Sambona. Die trickst ihn aus, und, wenn sie nicht gestorben ist, lebt sie heute noch. Der Leser fühlt, das Leben kann der Tod nicht endgültig besiegen.
Sein Leben wäre am besten auch als Roman zu beschreiben. Bequem war es nie, Bequemlichkeit hätte er auch nicht ausgehalten. Denn der Junge vom Niederrhein, Sohn einer armen Witwe, hat früh arbeiten und durchhalten gelernt: Unter Tage im Bergwerk; als kleiner Lehrling in einer Buchhandlung, als Angestellter unter dem mächtigen Johannes Rau, den er schließlich im Verlag ablöste, als Verlagsleiter in einem Verlag mit schmaler Kapitaldecke – und das alles ist am Schluß, so scheint es
Er schreibt, er reist, er liest in fast allen deutschen oder deutschsprachigen Städten bis in die Schweiz und Südtirol, aber seine Augen beginnen am stärksten zu leuchten, wenn er von den Taten erzählt, die er in seinem Garten vollbracht hat. Da kennt er jede Pflanze, und dahin treibt es ihn täglich.
Und dann dreht er dem Gartenschlauch das Wasser ab, läßt den Spaten fallen, setzt sich ins Auto – fast wöchentlich – und fährt zum Niederrhein, trinkt mir seinen beiden Schwestern Kaffee, schaut bei Otto, dem alten Bergarbeiter, in die Wohnküche, läßt sich von dessen Tauben berichten...
© 2008 Karl Otto Mühl für Musenblätter Fotos und Redaktion: Frank Becker |