Volker Panzer und das ZDF-Nachtstudio

Ein Nachruf

von Jörg Aufenanger

Volker Panzer 2009 © Elke Wetzig
Volker Panzer und das ZDF-Nachtstudio
 
Ein besonderer Journalist ist gestorben.
 
Kennen gelernt habe ich ihn auf einer der Buchmessenparty in Frankfurt, bei Eichborn im Südbahnhof. Christian Allekotte, den ich aus der Berliner Barkultur kannte, stellte mir Volker Panzer vor. Klar, Nachtstudio, und ich erinnere mich bis heute an seine großartigste Sendung, in der er mit Joschka Fischer und August Winkler über Geschichte, Politik und Westbindung diskutiert hatte, eine Fernsehsternstunde.
     Gerade war im S. Fischer Verlag meine Biographie zu Christian Dietrich Grabbe erschienen und ich sprach davon. „Machen wir sofort!“ Panzers spontane Reaktion. Ich war schon erstaunt, wenn jemand Grabbe überhaupt kannte, ja ja Scherz ,Satire und wie noch weiter sagte man beflissen, doch Volker Panzer entpuppte sich als ein Fan des genialen Theaterrautors. „Machen wir“, sagte er noch mal zum Abschied. Und es blieb kein leeres Wort wie so oft in der Verlags- und Medienbranche.
Zwei Monate später war es soweit, im Dezember 2001. Jürgen Busche war dabei, Anna Langhoff, die ich schon in Grabbes Geburts- und Sterbeort Detmold kennen gelernt hatte, Benjamin Stuckradt-Barre und ich. Es begab sich aber während der Aufzeichnung des Nachtstudios etwas Ungewöhnliches. Einer der Diskutanten hatte eine volle Flasche Wodka neben seinen Sessel gestellt. Als die Sendung nach einer Stunde aufgezeichnet war, war die Flasche leer, und weder einer der Diskutanten noch die Kamera hatten mitbekommen, wie sie leergetrunken worden war. Auch eine Kunst.
     Ein Wunder aber gab es nach der sonntäglichen Ausstrahlung. Mit meinem Postboten in Charlottenburg lag ich stets im Streit. Am Montag kam er mir freudestrahlend entgegen, er habe mich beim Zappen entdeckt und sich daher die Sendung bis zum Ende angeschaut, verstanden habe er wenig, aber das mache nichts. Seitdem überschlug er sich in Freundlichkeit, und nie mehr habe ich Ärger mit ihm gehabt. Ein Wunder des Fernsehens.
Eine Unglaublichkeit im Fernsehalltag war die Schillernacht des Nachtstudios. Vier Stunden lang! Wann und wo gab es denn so was!
 
Mit dabei waren unter anderem Robert Gernhard, der Dresdener Lyriker Thomas Rosenlöcher und ich, der gerade zwei Bücher zu Schiller veröffentlicht hatte.
     Für mich ist die Lyrik neben der Musik die höchste der Künste, und so war ich begeistert, mit beiden über Schiller sprechen zu können. Leider ging es Robert Gernhard gesundheitlich schon nicht gut und nach den Zwei-Uhr-Nachrichten mußte er aussteigen.
Ich war wenige Tage zuvor aus dem Krankenhaus entlassen worden und hatte Furcht, nicht durchhalten zu können. Doch je länger die Live Sendung dauerte, desto lebendiger wurde ich, und das lag an dem Vertrauen, das Volker Panzer einem in der Diskussion schenkte und an der umsichtig intelligenten Art, mit der er durch die Sendung führte.
Als dann Schluß war, war ich enttäuscht, voll in Form, und hätte die Schillernacht noch zum Schillertag machen wollen.
Nun geht das Nachtstudio zu Ende, diese Einzigartigkeit im Deutschen Fernsehen. Allem Anfang wohne ein Zauber inne heißt es immer wieder, aber der Erinnerung an besonders geglückte Stunden auch.
 
Volker Panzer ist am 13. August in Berlin gestorben. Er wurde 73 Jahre alt. Sein Tod hat mich erschüttert, zumal ich ihm vor einer Woche noch begegnet war.
 
Jörg Aufenanger