Reiseführer-Reinfall

Eine Reiseglosse

von Frank Becker

Frank Becker
Irischer Reiseführer „very light“ 

Ach, es ist so herrlich auf der Grünen Insel, wenn die Sonne scheint: wunderschöne Landschaften voller erhabener Weite und Ruhe, zierliche kleine Ortschaften, eingebettet in leicht wellige Landschaften (auch die „Mountains“ sind nicht gerade schroff), stille Baudenkmäler, die von vergangenen Jahrhunderten und erloschenen Kulturen zeugen, geschäftige kleine und pulsierende große Städte. Die Iren sind herzlich, ehrlich und gastfreundlich, ein durchweg sympathischer Menschenschlag. Es gibt das Typische und Einzigartige mächtiger Festungsanlagen, archaischer aufgelassener Kirchen und Klosteranlagen und typischen Rundtürme. Sehenswürdigkeiten gibt es fast an jeder Ecke und dunkle irischen Biere und weiche Whiskeys locken zur Entspannung in die gemütlichen Pubs (deren Besuch nach dem Rauchverbot übrigens keineswegs zurückgegangen ist).

Wer reisen möchte und noch nicht mit dem als Ziel erwählten fremden Land vertraut ist, kauft sich am besten einen Reiseführer. Der hilft gemeinhin, sich zurechtzufinden und nichts von Wichtigkeit zu übersehen. Neulich war ich mal wieder, diesmal auf einer neuen Route per Hausboot durch die Lakelands unterwegs, ausgestattet mit detaillierten Informationen und bestens vom rührigen Irischen Fremdenverkehrsamt „Tourism Ireland“ instruiert. Eine abwechslungsreiche Reise mit interessanten Zielen und Stationen. In Kürze werde ich Ihnen, liebe Leser darüber hier berichten.
Zurück von der Tour lief mir ein handlicher Reiseführer quasi über den Weg, hübsch aufgemacht,
praktische Spiralbindung und von einem namhaften Verlag herausgegeben. Ein großer Aufkleber warb mit einem „Superpreis“ von „nur 6,50 €“. Da greift man doch zum Nachbereiten rasch zu, ohne viel zu überlegen. Zu Hause wollte ich also in Ruhe Revue passieren lassen, was ich entlang meiner von Tourism Ireland ausgearbeiteten Strecke alles gesehen hatte: das pittoreske Städtchen Tullamore mit seinem malerischen Kanal und der berühmten Whiskey-Destillerie, die pränormannische Klosteranlage von Clonmacnoise, Athlone am Shannon River mit seinem Dom, alten Kirchen und dem IRA-Denkmal, Trim mit der größten erhaltenen Befestigungsanlage Irlands (so die Erläuterung), Portumna mit seinen unendlich vielen Pubs, in denen am Abend musiziert und gesungen wird und dem restaurierten Schloß u.s.w....  Nichts.
Reingefallen. Also fast nichts: nur ein einziger dieser Orte, das berühmte Clonmacnoise mit seinen Rundtürmen, Ruinen und Steinkreuzen fand gnädige Erwähnung in dem immerhin 206-seitigen Reisehandbuch, das ich nun unter „Fehlinvestition“ verbuchen werde.

Und nicht, daß ich vergesse, dies zu erwähnen: etwas verärgert knibbelte ich den Aufkleber („Superpreis“ – Sie wissen schon) ab. Und was finde ich darunter? Einen weiteren, älteren Aufkleber, der ebenfalls einen „Superpreis“ nennt: 4,95 €! Das nennt man Inflation. Oder Beschiß? Erinnert irgendwie an die Umetikettierung von Gammelfleisch. Nicht zu empfehlen.