Dat dat dat darf…

Beethoven in Fakten und mit Humor (1)

von Konrad Beikircher
 
Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Dat dat dat darf…
 
Beethoven in Fakten
und mit Humor (1)

Von Konrad Beikircher
 
 
„Beethoven war so taub, daß er sein Leben lang dachte, er malt“
(anonymer englischer Musiker, 19. Jahrhundert)
 
Ich möchte gerne eine Mischung liefern zwischen Dokumenten und Eigenem und das zu Themen, die vielen Ernsthaften als zu trivial, ja, zu tief unter der Gürtellinie liegend gelten: Themen aus dem Alltag eines Komponisten in der Umbruchszeit, der Zeit zwischen der angestellten und der freien Kunst. Wie Beethoven sich da abgestrappelt hat, kann man vielen Dokumenten aus seinem Alltagsleben entnehmen. Mehr als aus klugen Würdigungen seiner Musik, die für mich, seitdem ich mit drei Jahren die Schellackplatte mit der „Pathetique“ hab fallen lassen (von Wilhelm Kempff eingespielt), zur größten weltweit gehört. Hier erzähle ich also nicht von diesem ungeheuren musikalischen Kosmos, dazu sind andere mehr berufen als ich, hier erzähle ich dies und das aus seinem Alltagsleben. Bis hin zu den Alltagsnächten, in denen er sich immer mal wieder mit Schwalben vom Wiener Trottoir hat beliefern lassen. Beethoven, der Nachbar über uns, den wir – bei aller Verehrung – doch lieber im Nachbarhaus oder ein paar Straßen weiter sähen. Aber grad dieser Alltag rückt ihn uns in eine be-greif-bare Nähe, was ihm, so meine ich, nur gut tut. Ich hatte Spaß am Stöbern, am Schreiben und am Zusammenstellen der Quellen, dies um so mehr, als ich schon in den 60er Jahren von den Professoren der Musikwissenschaften Dr. Schmidt-Görg, Dr. Vogel und Dr. Massenkeil dem rheinischen Gen Ludwigs näher gebracht wurde. Der Blick auf diesen kleinen Ludwig hinter dem Titanen Beethoven hat mich seine Musik, die ich immer schon liebte, wieder anders und tiefer erfahren lassen. Ich bin ganz bestimmt wegen ihm seit 1965 Wahlbonner geblieben – trotz dieser Stadt, die sich mit ihm so schwer tut. Vielleicht ist das deshalb so, weil der Stammtisch keinem verzeiht, der ihn verlassen hat. Bonn wird, wenn es so weiter geht, der Strand von Koblenz sein – Beethoven bleibt.
 
Beethoven war – wie jeder richtige Rheinländer – Republikaner. Wo der Bayer oder der Wiener heute noch 'Chromosomonal-Monarchist' ist (von denen kann ja keiner ohne Krönchen leben), war die rheinische Art auch zu Beethovens Zeiten schon 'e bißje' anders: man erträgt die Monarchen, liebt sie aber nur dann, wenn man mit ihnen abends auch mal ein Kölsch trinken kann. Andernfalls können sie dem Rheinländer 'dä Mai piefe' (den Mai pfeifen = Buckel runterrutschen). Das hat sich seit damals bis in unsere Zeit glücklicherweise erhalten, was man an etwas Kuriosem heute noch sieht: in Bayern, Österreich, Südtirol, gibt es in jeder zweiten Gaststube ein Extrastüberl, das meistens für die Honoratioren da ist, also die Vertreter der Obrigkeit und das übliche akademische Proletariat; im Rheinland werden Sie sowas nie finden. Und Ludwig van Beethoven war geradezu ein Parade-Republikaner. Vielleicht war er es noch nicht in Bonn, aber in Wien, wo jeder Laternenanzünder schon kaiserlich-königlich war und wo mit Hofrats-Titeln die Straßen gepflastert wurden, schliff sich sein rheinisch-republikanisches Politikgefühl zu einer Waffe, die seinen Werken innewohnt. Das haben auch die Zeitgenossen gespürt und sie haben darauf reagiert:
mit Jubel die einen, mit Verständnislosigkeit die anderen, weil neben der musikalischen Größe auch diese politische Botschaft verstanden wurde: daß es, wenn es darum geht, einen musikalischen Ausdruck für die Menschheit zu finden, kein Oben und Unten geben kann, sondern nur ein: alle Menschen werden Brüder. Für mich ist diese Dimension Beethovens ohne seine rheinische Jugend, in der er mit diesem Lebensgefühl aufgewachsen ist, nicht erklärbar. Und wir wissen, daß es eine schlichte, einfache Jugend war und daß schon dem Kind rheinische ‘Weetschafte“ nicht unbekannt waren, damit aber auch das Gefühl, das an rheinischen Theken immer schon dominiert hat: daß hier alle gleich sind.
Oder, anders gesagt: Uns Ludwig muß in dem kaiserlich-königlichen Wien, wo er ja mit Fürsten, Adel und 'Jedönsräten' täglich konfrontiert war, schon beim Aufstehen „esu ene Hals“ gehabt haben. Um so mehr, als er auf sie angewiesen war.
Das wäre für mich schon mal ein ganz wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, den rheinischen Wurzeln im Werk Ludwig van Beethovens nachzugehen, eine, wie ich finde, lohnende Aufgabe. Übrigens ist ohne diesen ‘rheinischen Teppich’ eine Geschichte gar nicht auslotbar, nämlich die Geschichte, die Bettina Brentano berichtet, die ich aber gerne Beethoven selber erzählen lassen möchte:
„Wie ich in Teplitz ens der Goethe jetroffen habe, sind mir spazierenjejangen, un da kamen uns die Kaiserin von Österreich mit dem janzen Hofstaat und Jedönsräten und allem entjejen und der Goethe wollte denen schon Platz machen. Da hab ich für der Goethe jesagt: 'Bleibt nur in meinem Arm hängen, sie müssen uns Platz machen, wir nicht'. Aber dem Goethe wurde dat mit jedem Schritt unanjenehmer, er reißt sich plötzlich von mir los, tritt an die Seite und zückt der Hut bis zur Erde. Ich möchte mal sagen: ein Bild des Jammers, ne. Dieser Dichter, und dann der Hut bis zur Erde! Ich natürlich mitten durch durch die janze Bagage, kurz der Kaiserin zujenickt, hatte sich der Fall. Die haben sich auch alle brav verneigt und mich jejrüßt. Paar Schritte bin ich dann weiter jejangen und hab dann auf der Goethe jewartet. Und wie der kam, hab ich ihm jesagt, damit er es sich auch merkt: 'Auf Sie hab ich gewartet, weil ich Euch ehre und achte, wie Ihr es verdient, ne, aber jenen habt Ihr zu viel Ehre anjetan.' Hehe - hatte der natürlich einen Satz roter Ohren!“
 
So oder so ähnlich hat er es sicher im Griechen-Beissl erzählt oder im Sauerhof in Baden bei Wien.
 

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