Visualisiert

Konrad O. Bernheimer – „Gebrauchsanweisung fürs Museum“

von Robert Sernatini

Visualisiert
 
Neuer Blick nicht nur auf Alte Meister – Konrad O. Bernheimer gibt Erläuterungen zu Gemälden vom 15. bis zum 20. Jahrhundert und ihren Standorten in den Museen der Welt.
 
Gehen Sie auch so gerne in ein Museum, um dort in aller Stille die Meisterwerke der Kunst zu betrachten und zugleich die Ruhe im Tempel der Musen zu genießen? Die Gemäldegalerie, das Museum ist eines der wenigen Refugien, in denen Geist und Seele heute noch zu sich finden können. Ob man grundsätzlich dafür und für die Betrachtung der Werke eine Gebrauchsanweisung benötigt, mag diskutabel sein. Daß Konrad O. Bernheimers leicht lesbarer Cicerone – der übrigens ohne Bilder auskommt – eine wunderbare Handreichung für alle ist, die sich ein wenig tiefer mit der Materie befassen wollen, sei hiermit in aller Deutlichkeit gesagt.
 
Bernheimer gelingt es z.B., holländischen und spanischen Stilleben des 16. und 17. Jahrhunderts Farbe und Ausdruck zu verleihen, ohne sie zeigen zu müssen. Zu Rembrandts Diana weiß er ebenso eine ganz wunderbare, plastische Geschichte zu erzählen wie zu Vermeers Milchmädchen, und berühmte Porträts malt er griffig mit Worten trefflich nach. Er beschreibt u.v.a. Rubens und Bellini, Canaletto und Velasquéz, C.D. Friedrich und Leonardo ebenso wie das Werden des großen Picasso, indem er ihn ganz einfach als einen sich in der Nachfolge Goyas entwickelnden Künstler beschreibt, der Schulen und Phasen bis zur Vollendung durchläuft. Er erzählt von der Wirkung der Hülle, des Museumsgebäudes durch Standort und Licht auf den Besucher, empfiehlt Museen, deren Besuch ein Muß für Kunstfreunde ist und berichtet auch über den Handel mit Kunst – schließlich ist er Sproß einer alten Kunsthändlerdynastie. Der Vorteil Bernheimers ist, daß er nicht kunstwissenschaftlich verkopft daherkommt, sondern es versteht, anregend zu plaudern. Das macht sein Buch so ungemein lesenswert.
 
„Wohin sollte man bei einem Bild als Erstes sehen? Wie wird ein Gemälde zum Klassiker? Der Autor, einer der größten Kunstkenner, fordert dazu auf, den Blick fürs Detail zu üben. Er verrät, was Bilder erzählen, wenn man sie aufmerksam genug betrachtet. Welche Kunstwerke zu Unrecht unterschätzt werden, welche Museumsstädte eine Entdeckungsreise wert sind. Was Museen in Berlin oder Braunschweig, Neuburg an der Donau oder New York, Paris oder Rom außer Kulturgenuss sonst noch zu bieten haben: von kühner Architektur über originelle Museumsshops und raffinierte Küche bis hin zum besten Blick auf die Stadt.“ (Aus dem Klappentext zum Buch)
 

Weil das auf der Verlagsseite abgedruckte Gespräch zwischen Konrad O. Bernheimer und seiner Lektorin Bettina Feldweg so anregend und aufschlussreich ist, geben wir es hier in voller Länge wieder:
 
Der Autor im Gespräch mit seiner Lektorin Bettina Feldweg
 
Wenn man in München aufgewachsen ist, hat der Name Bernheimer einen besonderen Klang. Der Ursprung des Erfolgs der Kunsthändler-Dynastie war das große Palais am Lenbachplatz, das Konrad O. Bernheimer in vierter Generation übernahm und hinter sich ließ, um in London ein international angesehener Händler für Alte Meister zu werden. – Nun hat Konrad Bernheimer eine Gebrauchsanweisung fürs Museum verfasst: eine kundige Handreichung für Museumsgänger.
 
Wovon handelt Ihre Gebrauchsanweisung?
 
In erster Linie möchte ich dazu beitragen, daß der Museumsbesucher die Augen öffnet und sich wirklich mit dem einzelnen Gemälde befasst, statt nur die Bildbeschreibungen zu lesen. Es geht mir um die Intensität der Kunstbetrachtung, die gerade die Alten Meister so spannend in den Fokus setzen kann – und um deren Einbettung in ihre jeweilige Zeitgeschichte.
 
Was machen Sie in einem Museum als Erstes?
 
Den Überblick versuche ich mir vorher zu verschaffen, entweder durch das Blättern in einem Bestandskatalog oder durch den Blick auf die Website des Museums. Dann suche ich mir ein Gebiet aus, auf das ich mich konzentriere. Alles kann man nicht anschauen, man muß Schwerpunkte setzen, sonst ist man am Ende zwar viel gelaufen, hat aber nichts wirklich gesehen. Auch Audioguides können sinnvoll sein, um eine Auswahl zu treffen. Wenn Sie öfter ins Museum gehen, lohnt es sich, dem Freundeskreis beizutreten, weil Sie dann von fachkundigen Führungen profitieren.
 
Wenn Sie zurückdenken an Ihre Kindheit: Was ist Ihre früheste Erinnerung an einen Museumsbesuch beziehungsweise an ein bestimmtes Gemälde?
 
Es war mit meinem Großvater in der Alten Pinakothek, und ich muß etwa sechs Jahre alt gewesen sein. Am meisten beeindruckt haben mich: das Porträt Karls V. von Tizian, weil ich mir Sorgen machte wegen der kränklichen Gesichtsfarbe des Kaisers; die Entkleidung Christi von El Greco, weil sich das rote Gewand so schön in der Rüstung des Soldaten spiegelte; und die Alexanderschlacht von Albrecht Altdorfer! Dieses Bild muß einen kleinen Buben einfach begeistern, wie ein Wimmelbild im Kinderbuch.
 
Was ist Ihre Lieblingsfi gur in der Malerei?
 
Keine einfache Frage. Ich denke jedoch, es sind wohl die Engel, die in jeder Epoche der Kunstgeschichte in verschiedenen Rollen auftauchen und immer faszinierende Wesen sind. Zum Beispiel bei einer Verkündigung von Fra Angelico oder bei einem genial hinskizzierten Engel von Paul Klee.
 
Mit welchem Künstler würden Sie gern ein Wochenende verbringen?

Am liebsten mit Peter Paul Rubens, weil er nicht nur wusste, wie man das Leben genießt, sondern auch als Diplomat ein faszinierendes Leben führte. Ich hätte ihn gerne begleitet, als er 1628/29 in Madrid weilte, um dort in geheimer Mission die Friedensverhandlungen zwischen Spanien und England voranzutreiben. Gleichzeitig hat er auch viel gemalt, er hat einige wichtige Porträts geschaffen, aber auch von den Werken Tizians in der königlichen Sammlung Kopien (oder man sollte sagen: seine eigenen Versionen) erstellt. Und er hatte zur Unterstützung in seiner Werkstatt, die ihm König Felipe IV. einrichten ließ, keinen Geringeren als den jungen Diego Velázquez zum Assistenten! Das waren sicher extrem spannende Zeiten.
 
Welche drei Bilder muß man unbedingt gesehen haben?
 
Das ist fast so schwierig, wenn nicht unmöglich zu beantworten wie die Frage: Welches Bild würden Sie als erstes retten, wenn die Welt unterginge? Ich versuche es dennoch:

1. Diego Velázquez, Las Meninas, Prado, Madrid:
Für mich eines der bedeutendsten großen Gemälde, die je geschaffen wurden. Velázquez gelingt mit diesem großen Familienporträt der spanischen königlichen Familie etwas vollkommen Neues. Er bezieht den Betrachter des Bildes mit ein ins Geschehen, man wird Teil der dargestellten Szene.
2. Peter Paul Rubens, Selbstporträt mit seiner jungen Frau Isabella Brant in der Geißblattlaube, Alte Pinakothek, München:
Dieses Selbstbildnis als junger glücklicher Ehemann mit seiner frisch angetrauten Braut ist nicht nur eine einzige Liebeserklärung, sondern zeigt auch das Selbstbewusstsein des jungen Meisters, der bereits am Anfang seiner großen Karriere überzeugt. Ein Bild, mit dem man leben möchte.
3. Pablo Picasso, Guernica, im Museo Reina Sofía in Madrid.
Das bedeutendste Gemälde der Moderne. Der Einfluß dieses unglaublichen Bildes auf die Kunstgeschichte ist immens. Picassos laut aufschreiender Protest gegen die Zerstörung der baskischen Stadt Guernica im Spanischen Bürgerkrieg, mit der Darstellung des Leides und der grauenvollen Vernichtung, gehört zu den bewegendsten Kunstwerken.
Welche Ausstellung der letzten Jahre hat Sie besonders begeistert und weshalb?
Auch das ist nicht so einfach zu beantworten, weil es gerade in letzter Zeit eine ganze Reihe von wichtigen und sehr beeindruckenden Schauen gegeben hat. Eine Auswahl:
Leonardo da Vinci in der National Gallery London, Hieronymus Bosch im Prado in Madrid, Pieter Brueghel im Kunsthistorischen Museum in Wien, Florenz und seine Maler in der Alten Pinakothek in München.
Leonardo, weil man dort zum ersten Mal beide Versionen der Felsgrottenmadonna des Meisters – die aus London und aus Paris – in einem Raum zusammen vergleichen konnte. Und wegen vieler anderer Bilder wie z.B. der Dame mit dem Hermelin aus Krakau, die weitaus aufregender ist als die Mona Lisa. – Hieronymus Bosch, weil noch nie zuvor eine so große Ansammlung von Bosch zu erleben war, dem verrücktesten Maler aller Zeiten. – Pieter Brueghel, da wir zu unseren Lebzeiten noch nie fast das ganze Oeuvre sehen konnten. Und es wird auch nie mehr möglich sein. – Die Florentiner Malerei in der Alten Pinakothek, denn dieser Ausstellung liegt eine umfassende Forschungsarbeit zur Malerei jener Zeit zugrunde, die sehr beeindruckt hat. Und weil wir dort erstmals die großartige Grablegung von Sandro Botticelli nach der Restaurierung in all ihrer Pracht bewundern durften.
Konrad O. Bernheimer – „Gebrauchsanweisung fürs Museum“
© 2019 Piper Verlag, 221 Seiten, flexible Klappenbroschur - ISBN: 978-3-492-27740-2
15,- € [D], 15,50 € [A]
 
Weitere Informationen: www.piper.de