Musik zum Schmökern

Oliver Buslau – „111 Werke der klassischen Musik, die man kennen muß“

von Frank Becker

Musik zum Schmökern
 
Oliver Buslau - Klassische Musik und ihre Geschichte(n)
 
Ein Dilettant freut sich zu Haus / an seinem eignen Geklimper, /
doch treibt seine Kunst in die Welt hinaus, /
veredelt er sich zum Stümper.
Franz Grillparzer
 
Musik ist angenehm zu hören, / Doch ewig braucht sie nicht zu währen.
Wilhelm Busch
 
Bekanntermaßen machen dem Kritiker Verrisse besonders viel Vergnügen. Doch wenn er von einem Werk, einem Buch so überzeugt und angetan ist, daß es absolut keinen Grund zum Meckern gibt, ist ihm das ebenso recht. So verhielt es sich jüngst mit Oliver Buslaus „111 Opernhighlights, die man kennen muß“ – und so verhält es sich hier mit seinem in aktualisierter Neuauflage vorliegenden Cicerone durch die Konzertwelt und ihre berühmten  Protagonisten „111 Werke der klassischen Musik, die man kennen muß“.
 
Der renommierte Musikwissenschaftler, der sich auch als Autor höchst unterhaltsamer Kriminalromane hervorgetan hat, verbindet ideal seine hervorragenden Kenntnisse der klassischen Musik und ihrer Geschichte durch die Jahrhunderte mit seiner schriftstellerischen Eloquenz, was in einen ungemein spannenden, zugleich kurzweiligen und brillant recherchierten Führer durch die sogenannte E-Form der Musik mündet. Jeweils eine Druckseite ist einem Stück, Genre oder Namen zugeeignet, gegenüber ist eine kommentierte  passende Illustration Ruhepol für das Auge.

Da wird zum Beispiel der nachgerade mystische Niccolo Paganini, den man den Teufelsgeiger nannte, porträtiert, soweit es bei seiner undurchsichtigen Biographie möglich ist. Das letzte musikalische Universalgenie, der Schöpfer der West Side Story, Leonard Bernstein, der die Grenzen zwischen E- und U-Musik, zwischen Oper und Musical verschwimmen ließ wird mit angemessener Hochachtung vorgestellt und das Geheimnis um Franz Schuberts „Unvollendete“ (ein wenig) gelüftet. Wir erfahren, daß der junge Mozart, der sich ab dem 5. Lebensjahr der Komposition widmete, ursprünglich Wolfgang Theophilus hieß, bevor Theophilus zu Amadeus latinisiert wurde, lernen Charles Ives´ bis heute unbeantwortete Komposition „Unanswered Question“ (1908) kennen und lassen uns von Claude Debussys schier tongemaltem La mer davontragen.
Oliver Buslau spannt den unterhaltsamen Bogen, über den man sich geradezu hungrig von Kapitel zu Kapitel weiter durch die Musikgeschichte hangelt, von den Gregorianischen Gesängen um 600 u.Z., die mitnichten von Papst Gregor stammten, aber Ende des 20. Jahrhunderts durch die Pop-Gruppe Enigma eine Renaissance erlebten, bis zu Arvo Pärts minimalistischer Komposition „Fratres“ (1977), Musik, die sich vielleicht ja aus einer Weltformel speist. Zwischendurch räumt er mit der Legende der angeblichen Feindschaft Antonio Salieris mit Mozart auf, erzählt von Vincenzo Bellinis „Norma“ der Schicksalspartie der unvergessenen Maria Callas und stellt den Autodidakten Eric Satie einerseits als musikalischen Satiriker und Spötter, andererseits als Mystiker vor, dessen Gymnopédies und Gnossiennes die musikalische Antike heraufbeschwören sollten.
 
Das geht so kurzweilig durch die 111 Kapitel, daß man fast darauf bestehen möchte, einen weiteren Band mit weiteren 111 Werken der klassischen Musik zu bekommen. Wobei 111 nicht ganz korrekt ist, der Autor hat ein 112. Kapitel angefügt, in dem es um ein selbst in Kinderkreisen weltweit bekanntes Stück geht, den Flohwalzer, der kein Walzer, sondern eine Polka ist und von dem niemand weiß, woher er stammt.
Rundum ein Vergnügen, das ich Ihnen vorbehaltlos empfehle und das unser Prädikat, den Musenkuß erhält.
 
Oliver Buslau – „111 Werke der klassischen Musik, die man kennen muß“
© 2017/2020 Emons Verlag, 237 Seiten, 13,5 x 20,5 cm, mit zahlreichen Abbildungen – ISBN: 978-3-7408-0236-3
16,95 € [D] , 17,50 € [AT]
 
Weitere Informationen: www.emons-verlag.de