Unverdorben ausgestorben

von Detlef Färber

Detlef Färber - Foto © Silvio Kison
Unverdorben ausgestorben
 
Warum sind die Neandertaler ausgestorben? Weil ihnen in der Eiszeit die richtigen Klamotten fehlten. Das will ein Forscher rausgefunden haben. Nicht rausgekriegt hat er, was diesem Mißgeschick vorausging. Und? - Das glaubt mir keiner, stimmt aber trotzdem: Ein simpler Ehekrach! Und der fing so an:
 
Familie Neandertaler sitzt am Lagerfeuer: Heute schon fast den ganzen Tag, denn es ist Winter. Mitte Januar wird man das später nennen. Frau Neandertaler streichelt ihrem Gatten den Nacken, krault ihn sehr zentral am Oberschenkel, geht ihm buchstäblich um den Bart und haucht ihm die Weltpremiere für einen unschlagbar hinterhältigen Satz ins Ohr: „Schatz, ich hab' nichts anzuziehen.“ Herr Neandertaler kriegt von dem Gesäusel leider nix mit, weil er angestrengt über sein nächstes Mammut-Projekt nachdenkt. Frau Neandertaler merkt das und wird richtig sauer. Da hat sie nun alle Register weiblicher Raffinesse gezogen, und dieser prähistorische Waldschrat hört ihr noch nicht mal zu. „Also da hört sich doch alles auf!“ Frau Neandertaler zieht ihren Mann am Ohr und brüllt in die weit geöffnete Muschel, daß das Trommelfell nur so schlackert: „Ich will auch einen Pelzmantel!“
       „Du willst waaas?“ Derart unsanft aus seinen Jagdträumen gerissen, hat Herr Neandertaler vermutlich nicht richtig verstanden. Wie sich gleich darauf zeigt, aber doch: „Diese aufgetakelte Tante aus der Nachbarschaft, diese Frau Homo-Sapiens“, zetert seine Gattin, die habe ja neuerdings einen Pelzmantel. Wie sie „überhaupt vieles hat, was“, so Frau Neandertaler, „iiich nicht habe.“ Aber genau so einen Pelzmantel, den hätte Frau Neandertaler auch gern - „und zwar sofort und Punkt!“ Ihr Gatte weiß, daß an so einem Punkt höchstens noch ein dummer Spruch helfen kann: „Und als Nächstes willst du auch so einen Doppelnamen, was?“
       Das saß. Nein Homo-Sapiens will seine Frau wirklich nicht heißen. Nicht mal Jäger-Sammler, wie so viele hier. Und erst recht nicht Neander-Taler, was in präorthografischen Zeiten ja kein Problem wäre. Nein, so eine mit Bindestrich ist sie nicht. Nicht mal mit der Vorform davon. Und so wird an diesem Abend in der Höhle von Neandertalers lieber schnell das Thema gewechselt. Auch vom Pelzmantel ist plötzlich nicht mehr die Rede. Und das hat fatale Folgen: Der stolze Herr Neandertaler bereitet sich und die Seinen nun wieder unbeirrt und mit frisch-fröhlicher Freikörperkultur aufs große Finale seiner Stammesgeschichte vor. Familie Homo-Sapiens dagegen überlebt die Eiszeit - eingemummelt in die kuschelig zusammengenähten Kreationen des ersten Pelz-Designers.
 
Was die alte Geschichte soll? Wer als Mann einen Satz hört, der mit „Schatz, ich ...“ beginnt, muß wissen, daß auch seine Frau akut vom Aussterben bedroht ist. Und dagegen hilft nicht mal die flotteste Erderwärmung. Wenn eine Frau zugrunde geht am Herzeleid über ein fehlendes Kleid, dann ist immer der Mann schuld. Also, Jungs: Bei jedem „Schatz-ich“-Satz augenblicklich das Geld rausrücken und der Dame „Schönen Einkauf!“ wünschen. Hinterher ist zwar das Konto leer, und Klamotten für euch gibt's auch nicht mehr. Doch was solls. Dann stirbt ja nur der Mann aus.
 

© Detlef Färber