Morgen beginnt der "Ernst des Lebens"

Die Schultüte tröstet

von Andreas Rehnolt

Foto © Archiv Musenblätter
Von Zuckertütenbäumen zu Schultüten

Volkskundler des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe untersuchten den Brauch, den ersten Schultag zu versüßen


Münster
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Am 12. August öffnen die Schulen für die Erstklässler in Nordrhein-Westfalen ihre Pforten. Ausgestattet mit neuen Tornistern und Schultüten in allen erdenklichen Formen und Farben werden also morgen fast 200.000 "i-Dötzchen" ihren ersten Schultag absolvieren, teilt aus Münster der Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit. Rechtzeitig zum Start des Unterrichts nach den Sommerferien veröffentlichen Volkskundler des Verbandes eine Untersuchung über den Brauch, Kindern den ersten Schultag zu versüßen.

Im 19. Jahrhundert glaubten viele Kinder, die Schultüten stammten von einem "Zuckertütenbaum" im Schulkeller, wie die Volkskundlerin Christiane Cantauw berichtet. Während heute vielfach die Schultüten am Ende des Kindergartenjahrs von Eltern und Kindern gemeinsam im Kindergarten gebastelt werden, war das früher anders. Kinder würden über die Herkunft der Schultüten eher im Unklaren gelassen. In dem "Zuckertütenbuch für alle Kinder, die zum ersten Mal in die Schule gehen" aus dem Jahr 1852 wurde jedenfalls die Vorstellung verbreitet, daß es im Keller der Schule einen Zuckertütenbaum gebe, von dem der Lehrer den braven Schülern eine Tüte abpflücke, so Cantauw.

Foto © Archiv Musenblätter


Ein erster Beleg für eine solche Zuckertüte ist bereits aus dem Jahr 1817 überliefert. Ein Schüler in Jena bekam damals zur Einschulung eine "mächtige Tüte Konfekt". Von Thüringen und Sachsen aus verbreitete sich der neue Brauch der Schultüte allmählich in ganz Deutschland, Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz. Aber auch wenn August Nestler in Sachsen bereits 1910 mit der fabrikmäßigen Herstellung von Schultüten begann, so war der neue Brauch noch längst nicht überall bekannt. "Sinn der Schultüte ist es, den neuen Status des Kindes als Schulkind nach außen hin zu symbolisieren. Außerdem sollte der Inhalt der Tüten ein süßes Trostpflaster für den nun beginnenden strenger geregelten Lebensabschnitt sein", erklärt Christiane Cantauw.

Redaktion: Frank Becker