Lesbisch? Nebbich. Ein schöner, humorvoller Film.

„Kiss Me Kosher“ von Shirel Peleg

von Renate Wagner

Kiss Me Kosher
(Israel, Deutschland - 2020)

Regie: Shirel Peleg
Mit: Moran Rosenblatt, Luise Wolfram, Rivka Michaeli, Juliane Köhler u.a.
 
Sagen wir einmal, vielmehr hoffen wir, daß Familien heutzutage nicht mehr vor Entsetzen in die Knie gehen, wenn zwei junge Frauen heiraten wollen, aber eine Herausforderung für die Mitwelt ist es auf jeden Fall. Und wenn eine von ihnen eine Jüdin und eine von ihnen eine Deutsche ist, und das Ganze spielt sich in Israel ab – Komödie oder Tragödie? In diesem Film wird die heikle Konstellation mit souveränem Humor betrachtet, ohne auch nur einen Aspekt der Problematik unter den Tisch zu kehren.

Das hat die in Deutschland lebende israelische Regisseurin Shirel Peleg beschlossen. Vielleicht ist es ihr nur so wunderbar gelungen, weil sie ihre eigene Geschichte erzählt, aber was macht das schon? Auf diese Art sind alle Figuren wunderbar „echt“ geworden. Und wenn es am Ende dann gar zu glücklich-betulich wird – wer weiß, vielleicht war es im wahren Leben genau so?
Die Geschichte spielt hier und heute, und während sich in unseren Tagen in Israel Juden und Palästinenser wieder einmal in blutigen Feuergefechten gegenüber stehen, will Shirel Peleg nicht zuletzt zeigen, daß es auch anders geht. Gewiß, einfach ist es nicht. Aber möglich. Wenn nämlich die Oma von Shira Shalev, der Heldin, einen palästinensischen Arzt (unendlich sympathisch: Salim Dau) als Lebengefährten hat (was sie sich ihrerseits der Familie nicht zu sagen wagt, während sich doch normalerweise die Familie vor ihr fürchtet) – da scheint das am Ende zu klappen. Oder doch nicht? Denn Shiras Vater, der einst als liberaler Amerikaner nach Israel kam und mittlerweile ein Hardcore-Jude ist, setzt sich ja doch nicht mit ihm an einen Tisch…
Das ist einer von zahllosen Strängen der Nebenhandlung, die uns alle vermitteln sollen, wie es heute in Israel zugeht, zwischen jungen, offenen, liberalen Linken und jenen, die lieber mit der Waffe in der Hand kämpfen, als einen Fußbreit weichen möchte. Zu den ganz offenen Jungen zählt Shira (es ist die junge Moran Rosenblatt, die diesen Film trägt), die ihr Lesbentum fröhlich auslebt – man hat den Eindruck, sie habe mit jeder jungen Frau, der sie begegnet, irgendwann ein Verhältnis gehabt. Nun aber hat sie sich „echt“ verliebt: In die junge Deutsche Maria Müller (Luise Wolfram, in Deutschland ein Tatort-Gesicht, aber doch viel, viel mehr (man glaubt ihr einfach alles), die als Botanikerin (oder Biologin) nach Israel kam.
 
Wenn sie nun wieder zurückkehrt – das ist vielleicht ein „Gekose“, um die schöne alte Goethe-Bezeichnung zu wählen. Die Regisseurin hat nebenbei auch einen Film für Lesben gedreht, die sich daran erfreuen können, wie ausführlich ihre Gefühle dargestellt werden.
Nun, da es ernst ist, muß Maria der Familie präsentiert werden. Und da hält vor allem die Oma Berta nicht mit ihrer Meinung zurück (Rivka Michaeli ist der Inbegriff einer scharfzüngigen alten Jüdin). Ausgerechnet eine Deutsche? Eine Schikse? Adolfs Braut? Wo doch alle Deutschen Nazis sind!?! Da sitzen die Ressentiments (begreiflicherweise) so tief, daß es langer Arbeit bedarf, um etwas von der bekannten jüdischen Liberalität hervor zu holen (es gelingt dann).
Papa, der Hardliner (John Carroll Lynch), Mama, die so beflissen ist (Irit Kaplan), die Schwester, die beim Militär ist`(Aviv Pinkas), der freche Bruder, der aus der Lesben-Beziehung seiner Schwester einen Film für seine Prüfung an der die Filmakademie machen will und ihnen dauernd mit der Kamera vor der Nase herumspringt (Eyal Shikratzi): Sie alle wollen von Maria natürlich wissen, ob ihre Familie Nazis waren… und Maria weiß es eigentlich nicht, denn (nicht unüblich!) darüber wurde zuhause nicht gesprochen. Das Thema kommt wieder auf, als ihre ungemein beflissenen, liberalen Eltern (Juliane Köhler und Bernhard Schütz) nach Israel kommen (so politisch korrekt, daß sie sich als erstes ein Flüchtlingslager ansehen wollen…): Da stellt es sich dann doch heraus, daß die Familie den Nazis durchaus positiv gegenüber gestanden ist – und da kann man dann in der Holocaust-Gedenkstätte (die von den Israeli schon ziemlich zelebriert wird!) nur weinen, weinen, weinen…
Dann gibt es Mißverständnisse aller Art, Kränkungen, alles „screwballt“ im Lauf der Handlung ein bißchen, bis zum Happyend, das dann doch (mit Schüssen im Hintergrund) nicht ganz beschönigend gut gezeichnet wird. Aber offenbar ist Regisseurin Shirel Peleg aus ihrem eigenen Liebeschaos glücklich heraus gekommen – und wollte mit einem schönen, humorvollen Film danke dafür sagen.
 

Renate Wagner