Das liebe Geld

Eine Annäherung in sieben Schritten (7)

von Johannes Vesper

Foto © Frank Becker
Das liebe Geld
 
Eine Annäherung in sieben Schritten (7)
 
von Johannes Vesper



Faust und Mephisto (Faust II)
 
Jetzt kommen Mephisto und Faust ins Spiel. Goethe als Minister in Weimar kannte natürlich John Law und die Finanzblase von 1720. So wie John Law Ludwig den XV sollten Mephisto und Faust in Faust II den Kaiser von seinen Geldsorgen befreien Dazu schlägt Mephisto dem Kaiser vor, Geldnoten auszugeben, die durch im Boden vergrabene Goldschätze „gedeckt“ und durch die Unterschrift des Kaisers legalisiert werden sollten. Das Land ist in schlechtem Zustand
 
„Die Goldespforten sind verrammelt. Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt. Und unsere Kassen bleiben leer. (...) Wir sollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr, nun soll ich zahlen, alle lohnen (…) die Schweine kommen nicht zu Fette, verpfändet ist der Pfühl im Bette.“
 
So klagt der Marschall des Kaisers, also der damalige Olaf Scholz. Er wußte: Wo fehlst nicht irgendwo auf dieser Welt? Dem dies, dem das, hier aber fehlts am Geld“ und gibt zur Lösung der Misere Papiergeld aus. Der Kanzler bewirbt es wie John Law::
„Das Übermaß der Schätze, das erstarrt, in deinen Landen tief im Boden harrt, liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke ist solchen Reichtums kümmerlichste Schranke.“
 
„Zu wissen sei es jedem, ders begehrt. Der Zettel hier ist 1000 Kronen wert. Im liegt gesichert, als gewisses Pfand Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland. Nun ist gesorgt.“
 
Sebastiao Salgado hat mit seinen Fotografien der Serra pelada den Fluch vergrabner Bodenschätze dokumentiert. Man erkennt in seiner erschütternden Fotodokumentation den grenzenlosen Wahn nach Gold. Warum nehmen wir für Grabbeilagen, Armbanduhren und Goldschmuck seit ca. 5000 Jahren Verbrechen, Umweltzerstörung und die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen in Kauf?
Bei Goethe bleibt allein der Hofnarr skeptisch, obwohl Menphisto versichert: „Du hast dafür was Schlund und Bauch begehrt. Der Narr fragt nach: .- Und kaufen kann ich Acker. Haus und Vieh? Versteht sich Biete nur, das fehlt Dir nie. –Darauf bauend jubelt der Narr: „Heut abend wieg ich mich im Grundbesitz!“. Der kluge Narr möchte dem Braten wohl trauen, flieht aber sicherheitshalber wie ehemals Otto von Meißen in die Sachwerte, heutzutage in Betongeld!
Faust und Mephisto denken immer weiter, wenn sie die „kraftbegeisterte Meereswelle“, die auf den Strand aufläuft und sich zurückzieht, ohne was zu leisten beobachten. Die zwecklose Kraft unbändiger Elemente ist bei Goethe eine entscheidende Voraussetzung für eine Wertschöpfung ohne Arbeit. Die regenerativen Energien (Gezeitenkraftwerke, Windenergie) scheinen hier voraus geahnt zu werden. Überhaupt wird die Bedeutung der Energie für die Wertschöpfung in Faust 2 immer wieder betont. „Schifffahrt, Krieg, Handel und Piraterie, dreieinig sind sie nicht zu trennen.“ weiß Mephisto. Raufebold, Habebald und Haltefest, die Symbolfiguren für nackte Gewalt, Habgier und Geiz treiben bei Handel und Krieg ihr Unwesen treiben und gehören unbedingt dazu.
Zusammengefasst werden also in Faust II alle Faktoren einer „kapitalistisch-modernen“ Wertschöpfung dargestellt: Druck von Papiergeld („Geldschöpfung“), Ausbeutung der Erde (Bodenschätze), Legitimation durch den Staat, Transportmittel, erneuerbare Energien und technischer Fortschritt. Dazu kommt die Änderung des Eigentumsbegriffs durch Napoleon im Code civile. Nicht mehr das „patrimonium“ und seine Pflege sind gefragt, sondern das „dominium“, welches die Herrschaft über die Natur und über ihre Ausbeutung beinhaltet.
 
Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach wir Armen! (Meint auch Margarethe in Faust 1.)
 
 
Epilog
 
Wohin Habgier führen kann, sieht man an den großen Finanzbetrügerereien der letzten 150 Jahre: Adele Spitzeder scheffelte 1869-1872 mit ihrer „Dachauer Bank“, die ihrem Wohnzimmer entsprach, Millionen mit dem Versprechen eines Zinsertrags von 10 %. Mehr als 30.000 Menschen in München und Umgebung - wo ja heutzutage Wirecard residiert(e), das dieses Geschäftsmodell globalisiert betrieben hat -, verloren alles. Charles Ponzi betrog vor 100 Jahren mit der Arbitrage von Ersatzbriefmarken - es ging da um Rückporto-Antwortscheine, die nach dem 1. Weltkrieg in Europa an Wert verloren, also billig zu kaufen waren und in den USA gegen gutes Geld eingetauscht werden konnten. Für das benötigte Kapital, welches er sich von Anlegern leihen mußte, versprach er 100% Rendite in 3 Monaten. In den von mir so geschätzten Musenblättern kann man das Interview von Prof. André Betzer der Berg. Univ. (Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Corporate Governance) dazu nachlesen. Die Masche Ponzis hat Anfang dieses Jahrhunderts Bernard Madoff kopiert. Der Schaden betrug 65 Milliarden Dollar, drei Millionen Personen wurden betrogen und er wurde zu 150 Jahren Haft verurteilt. Interessant, daß die US-Börsenaufsicht Informationen über 10 Jahre nicht zur Kenntnis nahm. Madoff spendete zahlreiche wohltätige und kulturelle Einrichtungen, bei denen er auch überall im Vorstand saß. Mit einer Ersparnis von 5.000 Dollar aus Ferienjobs als Rettungsschwimmer (im Silver Point Beach Club in Atlantic Beach, Long Island) und Installateur für Gartenbewässerungsanlagen gründete Madoff im Jahr 1960 eine Investmentfirma namens Investment Securities, die sich zunächst auf so genannte Penny Stocks spezialisierte. Sie wies zehn Jahre später eine große Anzahl Kunden auf, die er vornehmlich in Country Clubs der High Society, wie dem Palm Beach Country Club, gewonnen hatte. Sein Unternehmen lebte zunächst vom so genannten Spread, der Differenz zwischen Angebots- und Nachfragepreis eines Wertpapieres
 
Der mittelalterlich-christliche Umgang mit Geld, also das Verbot von Zinsen und Habgier hatte etwas und erscheint auch heute nicht völlig abwegig. Negativzinsen, aktuell nicht unüblich, wurden erstmals 1972 in der Schweiz erhoben, um den Zufluß ausländischen vermutlich schwarzen Geldes zu begrenzen. Geld ist flüchtig, verschwindet meist in Steuerparadiese, irgendwohin, nachdem es heute von Zentralbanken gedruckt oder virtuell geschöpft wird. Sich vor den Ganoven des Geldes, bei Goethe Habebald Raufebold und Haltefest, heute Wirecard, Investitionsbankern und Konsorten, zu schützen bleibt eine herkulische Aufgabe. .
 
Finis

Redaktion: Frank Becker