Endlos und ermüdend hin- und hergekaut

„Black Widow“ von Cate Shortland

von Renate Wagner

Black Widow
USA 2020

Regie: Cate Shortland
Mit: Scarlett Johansson, Florence Pugh, Rachel Weisz,
Ray Winstone, David Harbour u.a.
 
Der Versuch, eine Comic-Heldin gewissermaßen nach feministischen Maßstäben (und am Ende sogar mit ein wenig Humor) auf die Leinwand zu bringen, ist zumindest bei der ersten „Wonder Woman“-Verfilmung geglückt. Hoffnungslos schief gegangen ist es bei Marvel-Heldin „Black Widow“, die nun endlich – nachdem sie in Marvel-Männer-Filmen ihre Nebenrolle abgezogen hat – zur Titelheldin geworden ist. Leider bei weitem nicht mit dem glanzvollen Unterhaltungs-Ergebnis, das dieses Genre verlangt.
Da ist die Ideologie dazwischen gekommen. Frauen-Power besteht zwar nun auch schon darin, daß sie Männern ins Gesicht schlagen und auf ihnen herum treten, aber vor allem verlangt die politische Korrektheit, die großen Werte hoch zu halten. Mit dem Effekt, daß die australische Regisseurin Cate Shortland, der man trotz geringer Film-Routine das Projekt anvertraut hat, den Eindruck erweckt, es wäre ihr nur um – Verzeihung, Familien-Gesülze gegangen und der Rest hätte sie wenig interessiert.
Gleich zu Beginn erlebt man kurz die Idylle, irgendwo in Ohio am Land, zwei kleine Mädchen spielen glücklich, Mutti und Vati sind liebevoll – und schon bricht die Katastrophe herein. Ein Flugzeug kommt, holt die Familie ab, bringt sie nach Cuba, und die scheinbar so netten Eltern geben die beiden Mädchen ohne weiteres preis, daß sie für die böse Macht des Generals Dreykov (der natürlich mit dickem russischen Akzent spricht) zu Killerinnen ausgebildet werden.
 
Schnitt: Da ist nun 21 Jahre später Scarlett Johansson als Natasha Romanoff, rothaarig und mit entschlossenem Gesicht, die offenbar von den eigenen Leuten gejagt wird, weil sie sich abseilen möchte. Die große Action könnte beginnen, wird aber nur eine kleine, nicht besonders begabt und animiert abgelieferte Action. Die „pittoresken“ Schauplätze (hier kurz Marokko, Norwegen, Budapest) werden nur angedeutet – das heißt, in Budapest gibt es wenigstens eine Verfolgungsjagd durch die Straßen der Stadt, aber im Vergleich zu dem, was man schon gesehen hat, ist sie dürftig.
Außerdem ist Natasha dramaturgisch ohnedies nur hier, um in einer Wohnung auf eine andere junge Frau zu treffen – und da wird gerauft, bis sich die Schwestern zwangsläufig erkennen. Dann gibt es auch bald Vorwürfe (Warum hast Du mich nicht gesucht?), und für Filme dieser Art wird überhaupt viel zu viel geredet und Seelen geknetet.
Dabei ist Scarlett Johansson für eine Superheldin als Figur ohnedies viel zu besinnlich und zurückhaltend, erledigt ihre Stunts (oder auch nicht selbst, egal), kämpft gewissermaßen ohne rechte Anteilnahme, weil sie so viel sensibles Innenleben hat. Dagegen übernimmt Florence Pugh als ihre Schwester Yelena Belova den aggressiven Part (auch verbal), was sie aber leider nicht interessant, sondern nur unsympathisch macht.
Wenn die beiden nun losziehen, den ehemaligen Vater (er ist nicht „echt“, ebenso wenig wie die Mutter) aus dem Gefängnis zu holen und zur Mutter zu bringen, da wird Familienkummer („Wer ist meine echte Mutter?“ „Wie konntet ihr uns nur so verlassen?“) endlos und ermüdend hin- und hergekaut.
 
Rachel Weisz als Mama Melina Vostokoff (und scheinbar treue Dienerin des General Dreykov) bekennt sich als fanatische Anhängerin des Experiments, Menschen geistig zu beherrschen (und die Frage, ob sie wirklich so „böse“ ist, birgt keine übertriebene Spannung), während Papa Alexei Shostakov in Gestalt von David Harbour (eigentlich möchte der Gute ja Captain America sein…) Humor verbreiten soll, aber mit Penetranz und Blödheit bloß nervt… Im übrigen sei erwähnt, daß das Männerbild dieses Films ebenso verheerend ist wie das Frauenbild in vielen „Macho“-Produktionen.
Der Showdown führt dann in den Red Room, wo Ray Winstone als General Dreykov das übliche zynische, mächtige Monster darstellt, und man schon Sehnsucht danach hat, daß endlich alles in die Luft geht und diese ermüdende Geschichte ihr Ende findet. Was dann nach etwas mehr als zwei Stunden (zehn Minuten allein braucht anschließend der Abspann) der Fall ist…  Vorher müssen alle jungen Frauen, die hier verbrecherisch zu Tötungsmaschinen gemacht wurden, natürlich befreit werden, Ehrensache.
 
Nein, es macht keinen Sinn, eine der (inhaltlich ohnedies verwirrenden bis uninteressanten) Superhelden-Geschichten zu erzählen, wenn man dann etwas ganz anderes will. Disney ist Kinderkino, und wenn Familien-Herz-Schmerz ausgegossen wird, handelt man im Sinn der Produzenten? Sicher aber nicht im Sinn der Vorgabe, die von brillanter Action über Spannung bis zu einer faszinierenden Titelheldin hier alles vermissen läßt.
 
 
Renate Wagner