Ein wirrer Film

„Infidel“ von Cyrus Nowrasteh

von Renate Wagner

Infidel
USA / 2020

Drehbuch und Regie: Cyrus Nowrasteh
Mit: Jim Caviezel, Claudia Karvan, Hal Ozsan u.a.
 
Wenn der amerikanische Journalist Doug Rawlins bei einer Religions-Diskussion in Kairo sagt, daß Jesus Christ Gott sei (und auch noch hinzufügt, er wäre gerne auch der Gott der Moslems!), dann weiß man schon, daß das nicht gut gehen kann.
Zumal der Film mit einer Hinrichtungsszene im Nahen Osten begonnen hat (noch weiß man nichts Genaues über was und wo – der weiße Mann steht an der Wand, die vermummten Soldaten legen die Gewehre an), bevor er in die Rückblende geht, um das Schicksal von Doug Rawlins zu erzählen. Dieses beruht zwar nicht, wie neuerdings so oft, auf einer „wahren Geschichte“, aber es heißt, daß sich Drehbuchautor / Regisseur Cyrus Nowrasteh von wahren Begebenheiten inspirieren ließ.
 
Wahrscheinlich muß man zuerst von diesem Cyrus Nowrasteh sprechen, bevor man versucht, den Film wirklich zu analysieren, der einen typischen Mittleren-Osten-Thriller (weißer Mann in den Händen der verbrecherischen Terroristen) erzählt, Glaubensfragen und Glaubenskraft- und Treue als Vordergrund nimmt – und wahrscheinlich nur eines will: Mit dem Iran abrechnen.
Denn Nowrasteh ist zwar selbst in Amerika geboren, aber Sohn emigrierter Iraner (sein Vater war Berater des Schah), die wohl tiefen Haß gegen die Mullahs hegen. Die sollen nun in ihrer ganzen Häßlichkeit gezeigt werden, und das geschieht auch – so sehr, daß sogar amerikanische Kritiker dem Regisseur vorwarfen, einfach nur die amerikanischen Klischees gegen den nunmehrigen Erzfeind Iran nachzubeten. Tatsächlich könnte, wie man die Verhältnisse kennt, grundsätzlich alles so passiert sein – wenn auch nicht ganz so dramaturgisch-holprig und auf „Abenteuer“ ausgerichtet (man will schließlich breites Publikum), wie es hier geschieht.
Dumme Titelhelden mag man eigentlich nicht, und natürlich ist Doug Rawlins ein solcher, wenn er mitten in einer islamischen Welt deren Allah ablösen will (hat er nie gehört, wie radikal die Moslems vorgehen, etwa im Fall Salman Rushdie?). So wundert man sich gar nicht, daß er nachts nach der Diskussion in seinem Hotelzimmer (er telefoniert gerade mit seiner Frau, die das auf diese Weise mitbekommt) überfallen und entführt wird.
Die Täter schleppen ihn nun ein bißchen in sandigen Gegenden herum (ein Fluchtversuch scheitert daran, daß niemand unter den Leuten auf der Straße daran denkt, ihm zu helfen – wie auch?), bis sie ihn in den Iran bringen, weiß der Himmel warum. Die Hisbolla-Entführer haben ihn vielleicht verkauft, wobei der Anführer Ramzi (Hal Ozsan) ein seltsamer Mann ist, weil er nicht nur foltert, sondern sich auch mit Doug unterhält und vieles lustig findet.
 
Bei den Mullahs angelangt, wollen diese ihm den Prozeß als Spion machen und ihn hinrichten, nicht zuletzt, um jede christliche Bewegung im eigenen Land zu entmutigen. Das würde allerdings für die „Abenteuer“-Schiene des Films nicht ausreichen. Also muß eine mutige Gattin, die zwar selbst im Außenministerium arbeitet, aber niemand dazu bringen kann, dem Gatten zu helfen (Selber schuld, wenn er so blöd war, sagt man ihr), sich persönlich in den Iran aufmachen – mit Kopftuch natürlich, wenn sie die Haare nicht unter einer Baseball-Kappe versteckt (was natürlich auch ein Unsinn ist).
Der Film erzählt uns nicht, wieso sie von dem Ober-Mullah empfangen wird, erzählt uns nicht, wieso die christliche Untergrund-Bewegung ihr hilft, erzählt uns nicht (oder nur andeutungsweise – vielleicht war es doch der Mossad?), wie es am Ende zu der Gefängnisrevolte kommt, bei der ihr Mann ausbricht und gerettet wird, nachdem er die Schein-Hinrichtung überstanden hat… da ist dann nur Action angesagt, die ganze Religionsdiskussion ist vergessen.
 
Aber man begreift an einem Detail, wie grimmig der Drehbuchautor und Regisseur (er hat den Film auch noch selbst produziert und in Jordanien gedreht, im Iran wäre es schwierig gewesen) seine Abrechnung mit der Heimat seiner Eltern betreibt. Bevor Doug noch zu der Glaubensdiskussions-Konferenz nach Kairo aufgebrochen ist, haben er und seine Frau eine Party bei ihrem iranischen „Freund“ Javin (Aly Kassem) besucht, wo getrunken, getanzt und gefeiert und die neue Heimat Amerika gepriesen wurde. Als es dann bei Javin zu einem Zwischenfall mit dessen aufmüpfiger Tochter kommt, schreitet die Polizei ein, die Situation wird unangenehm – und dieses Stück Handlung scheint in der Folge gänzlich fallen gelassen.
Bis man Javin in Teheran im Gericht wieder begegnet, kein Freund, sondern ein haßerfüllter Gegner, der in den USA für den iranischen Untergrund gearbeitet hat (Motto: Amerikaner, hütete Euch vor den Fremden unter Euch!) Jetzt lügt er, Doug sei immer ein Spion gewesen, was zum Todesurteil führt (das natürlich auf jeden Fall gefällt worden wäre). Das Angebot, sein Leben zu retten, wenn er per Video für alle Welt ein Geständnis ablegt und seinen Glauben verrät – „No way“, sagt der tapfere Mann und stellt sich den Gewehren. Die Geschichten der Schein-Hinrichtungen als Folter hat man oft gehört.
 
Nun, es gibt ein Happyend, Hauptdarsteller Jim Caviezel hat schließlich schon Jesus gespielt, wie sollte man ihm den starken Glauben und festen Charakter nicht abnehmen? Claudia Karvan ist ein unspektakulärer Typ, aber man glaubt ihr, daß sie das Unmögliche unternimmt, den Gatten zu suchen und am Ende zu retten. Die Bösen dürfen schließlich nicht siegen, schon gar nicht in einem so wirren Film.
 
 
Renate Wagner