Zu Paaren

Schillertheater NRW - Wuppertal: „Was Ihr wollt“

von Frank Becker

Adalbert Stamborski als Malvolio 1998 - Foto © Uwe Stratmann

Zu Paaren
 
Schillertheater NRW - Wuppertal: „Was Ihr wollt“
 
Wie dicht gut und Mäßig in einer Aufführung beieinander stehen können, bewies Thomas Gimbels Inszenierung von Shakespeares Komödie um Irrtümer und Liebe, falsche Bärte und echte Gefühle, Suff und Seufzer.
Die komödiantischen Stoffe des Engländers gehören zum Schwereren seines Werks für Darsteller und Regie. Das zeigte sich. Gimbel hat sich redlich bemüht und immerhin mit einigem Erfolg Eigenes eingebracht und die verworren-verwirrende Handlung aufgedröselt.
 
Illyrien: Orsino, Herzog, entbrennt in Liebe für Olivia, Gräfin, die ein siebenjähriges Keuschheitsgelübde abgelegt hat. Viola, Schiffbrüchige, tritt als Mann Cesario verkleidet in Orsinos Dienst. Olivia entbrennt in Liebe für den scheinbaren Cesario. Cesarío, eigentlich Viola, entbrennt in Liebe für Orsino. Sir Tobias Rülp, Olivias Onkel, entbrennt für Maria, Olivias Zofe, wenn er nicht zu besoffen ist. Sir Andrew Bleichenwang, Rülps Saufkumpan, entbrennt für alles, was Schenkel hat. Malvolio, Olivias Haushofmeister brennt schon lange für diese. Feste, ein in die Jahre gekommener Narr, brennt schon lange für nichts mehr.
Irgendwann entbrennt Sebastian, Violas totgeglaubter Zwillingsbruder (Isabella Paris, ein kecker Jüngling und flinker Fechter), weil es sich so ergibt, für Olivia, die ihn für Cesario hält. Beide heiraten. Maria und Sir Tobias Rülp heiraten auch irgendwann. Orsino beschließt Viola zu heiraten, als sie sich ihm entdeckt. Bleichenwang, Feste und Malvolio heiraten nicht. Letzterer wird übel gestutzt und geht mit Racheschwur ab. Ende.
 
Shakespeare hat die Handlung in ein imaginäres idyllisches Phantasialand gelegt. Gimbel laßt Finsternis herrschen, umgeben von übermannshohen Zerrspiegeln. Einzige Kulisse sind zwei Theken unter funkelnden Kristall-Lüstern, billige Bar und prachtvoller Palast zugleich. Von Idylle keine Spur. Zwischen den Theken. ein Laufsteg als Rampe für Auftritte und Abgänge, solche auch durchs Publikum.
Auf dieser kargen Bühne (Birgit Stoessel) brillieren Tina Eberhardt als Viola/Cesario, dieser unerhört schweren Gratwanderung zwischen Mädchen, Frau und feschem Burschen, Adalbert Stamborski als grenzenlos eitler und verblendeter Malvolio und Franziska Becker als die schreiend ordinäre wie gleichermaßen süße Zofe Maria. Eberhardt überzeugt durchgehend, bewältigt alle Facetten ihrer Rolle, ist frech, schüchtern, forsch und schwach genau da wo es gefordert ist. Und sie hat das Feuer, das in guten Mimen brennt. Stamborski verfügt über die Abgeklärtheit des alten Fahrensmannes und legt einen Malvolio hin, der mit seinem Eitelkeitsmonolog das Publikum zu Szenenapplaus hinriß. Und dann Franziska Becker, die umtriebige, intrigante, willige und widerborstige Maria, von aggressiver Weiblichkeit, genau richtig und im Sinne des Erfinders. Ihre „Lacharie“ war ein komödiantisches Kabinettstückchen.
Blaß wie sein Seidenanzug blieb Martin Bringmann von Anfang bis Ende, kein Grund zum Verlieben. Kaum über das Mittelmaß hinaus stellte Ingeborg Wolff den Narren Feste dar, um einiges zu lahm, wo er melancholisch gemeint ist. Seine resignative Weisheit konnte sie nicht vermitteln. Hingegen gelang es Annedore Kleist mitfühlbar, die hektisch Verliebte vorzuführen. Daß sie bei ihrem Auftritt in Watzlawicks Bändchen „Anleitung zum Unglücklichsein“ liest, ist ein witziger Einfall voller Eloquenz. Daß man Malvolio als Anleihe bei Gottfried Helnwein knebelt, ist billig und schrecklich unpassend. Das Burleske der Sauf- und Raufbolde Rülp (Jörg Reimers) und Bleichenwang (Hans Matthias Fuchs) wurde nicht ausgespielt, am besten noch in der Briefszene und beim Zweikampf der Feiglinge Cesario und Andrew.
Gut und Mäßig nivellierten sich und ergaben unter dem Strich einen erträglichen Theaterabend, nicht mehr.
 

Viola alias Cesario (Tina Eberhardt) himmelt Orsino (Martin Bringmann) an - Foto © Uwe Stratmann


Frank Becker, 28.1.1998