Über die Botschaft der Südstadtmilbe

(Trombicula autumnalis)

von Erwin Grosche

Trombicula autumnalis - Foto: Alan R Walker /
commons.wikimedia.org
Über die Botschaft der Südstadtmilbe
 
Die Südstadtmilbe ist kein Nutztier. Genau genommen weiß auch der Erzbischof nicht, wozu sie gut ist. Sie lebt im Verborgenen und zeichnet sich kaum durch sinnvolle Tätigkeiten aus. Männer, die ausgezogen sind, um ihren Rasen zu mähen, Kinder, die im Planschbecken nach Abkühlung suchen und selbst das Mädchen mit der Gitarre, das sich mit Freunden auf der Wiese traf, um Friedenslieder zu singen, werden von ihr heimgesucht. Pfui Südstadtmilbe, was genau ist an einem Friedenslied nicht zu verstehen? Trombicula autumnalis heißen die Stinkstiefel, die sich vor allem im Spätsommer an Gräsern und Sträuchern klammern, um von dort aus ihre Übergriffe zu planen. Durch den Biss der Blutsauger werden juckende Hautveränderungen ausgelöst. Wer daran kratzt, ist verratzt. Das Tor zur Hölle öffnet sich und man leidet, als müßte man zwölf Monate im Probekeller der Querschläger verbringen. „Ich kenne Leute, die ihren Garten nur in Gummistiefeln mähen und ihn ansonsten meiden“, erzählte mir ein trauriger Gärtnermeister. Überlassen wir nicht den Wadenbeißern das Feld. Der Altweibersommer, ich hoffe man darf ihn noch so nennen, lädt im Garten zum Verweilen ein. Warum darauf verzichten, nur weil die ungeladenen Sausäcke einem die Bowle versalzen wollen? Die Larven sind bis zu 0,3 Millimeter groß und orangerot gefärbt. Sie besitzen einen breiten Rückenschild und zwei Doppelaugen. Ihr Aussehen lädt nicht zum Anschauen ein. Kann man sich eine Südstadtmilbe schön trinken? Zeigen wir ihr unsere moralische Überlegenheit. Der parasitäre Stalker zieht sein Vergnügen daraus, daß wir ihm durch andauerndes Kratzen Geltung verschaffen müssen. Geben wir dem Bedürfnis nicht nach. Vielleicht erkennen wir sogar durch diese Entsagung einen Sinn in ihrem Tun: „Es gibt schlimmeres“, könnte ihre Botschaft sein, und: „Du bist noch nicht tot.“       
Und wie schnell kann man sich vom Kratzen abhalten lassen. Denken wir an das Foto zum 60jährigen Jubiläum der Kreismusikschule, wo unser Landrat Christoph Rüther hinter einem Schlagzeug steht und umrahmt wird von Heinz-Josef Struckmeier und Eddi Kleinschnittger an Horn und Saxophon. Stellen wir uns vor, das Trio würde gemeinsam Musik machen und weltberühmt werden. Wie schön, wenn es sich dann „Eddi Kleinschnittger und die Südstadtmilben“ nennen würde. Denken wir also bei allen Vorbehalten daran, daß die Südstadtmilbe zu unseren Mitbewohnern gehört. Sie gehört zu Paderborn wie auch das Liborifest und das Treckermuseum. Gerade gelangweilte Ölscheichs, die schon alles gesehen haben, besuchen die Domstadt, um sich von den Plagegeistern beißen zu lassen. Ich habe jetzt mal einer Südstadtmilbe einen Spitznamen „Milbi“ gegeben und fand ihren Biß dadurch viel annehmbarer. Natürlich kann man sich auch dort kratzen, wo es nicht juckt, um dem Schmerz zu zeigen, daß uns andere Körperteile wichtiger sind, aber das ist wieder eine andere Geschichte.
 
Erklärungen für Nichtpaderborner:
Die Südstadtmilbe war früher hauptsächlich in der Südstadt anzutreffen. Ihr Biß ist schmerzhaft und juckt, wenn man sich nicht kratzt, zwei Wochen. Wenn man sich einmal an der Bißstelle kratzt, juckt es dort ein Leben lang und noch darüber hinaus.
Die „Querschläger“ trommeln sehr laut. Es sind 1000 Leute mit Trommeln und Pauken. Sie kommen aus Paderborn und machen Krach. Ich laufe immer sehr schnell weg, wenn ich sie sehe.
Es gibt auch ein Treckermuseum in Paderborn, in denen ganz viele Trecker stehen.
 

Erwin Grosche