Ein unspektakuläres Stück Alltag in einer fremden Welt

„Minari“ von Lee Isaac Chung

von Renate Wagner

Minari
USA 2020

Drehbuch und Regie: Lee Isaac Chung
Mit: Steven Yeun, Yoon Yeo-jeong, Alan S. Kim, Han Ye-ri u.a.
 
Farmer in den USA können im allgemeinen damit rechnen, unter sich zu bleiben – eine Welt der konservativen Trump-Wähler. Aber die Amerikaner sind an sich ein freundliches Volk, weit freundlicher als die Europäer. Und wenn da eine koreanische Familie im ländlichen Arkansas ankommt, haben sie es zwar nicht unbedingt leicht – aber mit blanker Feindseligkeit begegnet man ihnen auch nicht.
Korea ist derzeit Hollywoods Liebling, man denke an den (weidlich übertriebenen) doppelten „Oscar“ für „Parasite“ 2020. Und 2021 brachte es „Minari“, ein Film, in dem über weite Strecken nur Koreanisch gesprochen wird, auf immerhin sechs „Oscar“-Nominierungen (und die Darstellerin der „Oma“, Youn Yuh Jung, bekam auch den „Oscar“ als beste Nebendarstellerin.
Und grundsätzlich ist natürlich gar nichts dagegen zu sagen, das ist eine brave, schöne Geschichte. Aber seitdem man in Hollywood die politische Korrektheit ins Extrem treibt und nur noch nach „Relevanz“ urteilt, kann man „Minari“ in dieselbe Kategorie reihen wie „Nomadland“: Filme, die früher respektvoll betrachtet worden, aber absolut auf Nebengeleisen geblieben wären, weil die Themen niemanden so besonders interessierten…
 
In „Minari“ kommen wir in den 1980er Jahren (man kann es als die „Vor-Handy- und -Social-Media-Zeit“ bezeichnen) mit einer koreanischen Familie in den amerikanischen Süden. Sie sind, was wir heute unfreundlich „Wirtschaftsflüchtlinge“ nennen, allerdings nicht auf Kosten der anderen, sondern schwer an einem besseren Leben arbeitend. Die Eltern (Han Ye-ri und Alan S. Kim), noch jung und nicht immer einer Meinung, ziehen dennoch an einem Strang, wenn es darum geht, koreanisches Gemüse („Minari“ ist das Wort für koreanische Petersilie) zu ziehen und zu verkaufen.
Am Sohn Jacob (Steven Yeun) – er ist wohl zum großen Teil ein Ebenbild des Regisseurs – werden die Probleme der Integration, sein Unglücklichsein, sein Fremdsein am deutlichsten. „Warum ist dein Gesicht so flach?“ fragen ihn unliebenswürdige Mitschüler. Jacob und seine Schwester (Noel Kate Cho) langweilen sich auch in dieser ländlichen Welt, aber der Vater ist überzeugt davon, daß es Sinn und Zukunft hat, das Land zu bearbeiten und versucht, das seinen Lieben zu vermitteln. Die Mitwelt, nach außen freundlich, sagt untereinander bei vorgehaltener Hand doch: „Colored people, you never can trust them.“ Das ist offenbar auf der ganzen Welt dasselbe.
Es gibt schöne, besinnliche Familienszenen, aber auch solche, wo die Nerven blank liegen. Man erlebt Versuche der Integration (Besuch des sonntägigen Gottesdienstes), viel unspektakulären Alltag, und es geschieht nicht viel, bis Oma (Yoon Yeo-jeong) auftaucht: Die ist die Lustspielbombe auf Koreanisch, bringt Leben in die Bude und läßt sich vom Enkel Englisch beibringen.
 
Gedreht hat diesen Film Lee Isaac Chung – nach eigenem Drehbuch und eingestandenermaßen nach großteils eigenem Schicksal, denn auf solch einer Farm ist er als Immigrantenkind einst aufgewachsen. Das Ende des Films (mit einer gewaltigen Feuersbrunst) ist tragisch – und doch, der Glaube des Vaters an die Erde, die er bearbeitet, läßt den Betrachter nicht ganz trostlos zurück.
Ein unspektakuläres Stück Alltag über eine Familie in einer fremden Welt, die sie zu ihrer eigenen machen möchte. Was der nächsten Generation ja dann wohl gelungen ist.
 
 
Renate Wagner