Über übliche Klischees hinaus? Eigentlich nicht…

„Abseits des Lebens“ von Robin Wright

von Renate Wagner

Abseits des Lebens
(Land) USA, Kanada 2021

Regie: Robin Wright
Mit: Robin Wright, Demián Bichir, Warren Christie, Brad Leland u.a.
 
Wenn ein Mensch seine Familie verliert und spürt, daß er sein bisheriges Leben einfach nicht weiterführen kann – da mag sich schon immer wieder jemand in die Einsamkeit zurückgezogen haben. Nicht am Rande eines Dorfes, wo ihn keiner kennt, aber wo noch Menschen sind. Sondern in die echte Wildnis, eine Holzhütte im schweren, dichten, bedrohlichen Wald, wo der nächste Mensch stundenweit entfernt ist.
 
Das ist die Ausgangssituation von „Land“, eine Möglichkeit, die Robin Wright so fasziniert hat, daß sie dies zum Thema ihrer ersten Film-Regiearbeit, „Land“, gemacht hat. Eigentlich wollte sie nicht selbst die Hauptrolle spielen, ließ sie in Interviews verlauten, aber sie fand keine Kollegin, die bereit gewesen wäre, sich für die Dreharbeiten in die kanadischen Bergen auf die echte Härte der dortigen Lebensbedingungen einzulassen.
Man erfährt lange Zeit nicht viel von Edee Mathis Holzer, der verschlossenen blonden Frau in den mittleren Jahren, immerhin erzählt sie, wie schwer es für sie ist, unter Leuten zu sein. Und schon fährt sie los – übers Land, in die Wildnis (Kanada steht hier für die Rocky Mountains in Wyoming), mietet eine Hütte (ohne Fließwasser und Elektrizität) im waldigen Nirgendwo, läßt ihr Auto wegbringen, da will sie bleiben.
Eine Naivität, angesichts derer der Kinobesucher leider nur den Kopf schütteln kann. Glaubt sie wirklich, rein von der körperlichen Kraft her, dieses Leben ganz allein bewältigen zu können? Holz fällen, sägen, hacken? Was tun, wenn draußen echte wilde, lebensbedrohende Tiere sind? Und was hat sie den unvorstellbar harten Wintern entgegen zu setzen? Vermummt geht sie in die Schneelandschaft, das Gewehr in der Hand, und brüllt „Why I“? ins Nichts. Und vielleicht ist sie ja wirklich hierher gekommen, um zu sterben.
Das ist gefühlsschwer, aber natürlich nicht sehr informativ, und nur langsam erfährt man in Rückblenden Bruchstücke ihrer Familientragödie. Gesprochen wird nicht viel, über weite Strecken gar nicht, und ehrlich gesagt, braucht man als Kinobesucher einen langen Atem, Robin Wright bei ihrer stillen, fast verstockten Einsamkeit zuzusehen. Nur schöne Landschaftsbilder (und vieles ist wunderschön) „füttern“ das Bedürfnis nach einer Geschichte nicht.
 
Hilfe kommt in Gestalt von Miguel (Demián Bichir erweckt Vertrauen), der in der Gegend als Jäger herumstreift. Für den üblichen Austausch von Schicksalen ist Edee nicht zu haben: „Ich lebe da, weil ich es gewählt habe.“ Und dann will sie ihn wegschicken, „I am fine“, und wenn ich verhungere, ist es meine Schuld. Worauf er ihr nur klugerweise antworten kann, daß so nur jemand spricht, der keine Ahnung von der durchaus nicht angenehmen Art des Sterbens durch Verhungern hat.
Miguel bleibt eine zeitlang, bringt ihr zumindest das Jagen bei, erzählt, daß er Frau und Tochter bei einem Autounfall verloren hat, sie erwidert sein Vertrauen nicht (Genaues über ihre Familientragödie, die wohl Mann und kleinen Sohn betraf, erfährt man absolut nicht). Und sie möchte auch seine Fragen, was sie eigentlich hier will (und ob der Rückzug in die Wildnis nicht ein typischer Zivilisations-Topos ist…) nicht beantworten. Dennoch – er kommt immer wieder, und langsam baut sich etwas wie eine Beziehung zwischen den beiden auf.
Einmal sagt er, daß er auf länger weg muß, läßt ihr seinen Hund zurück – und kommt nicht wieder. Nachdem sie sich lange genug in ihren Schmerz vergraben und durch Miguel menschliche Anteilnahme erfahren hat, muß sie erkennen, daß sie etwas davon zurückgeben sollte – und macht sich auf die Suche nach ihm, zurück in die bescheidene Zivilisation dort. Daß es dann (als sie ihn schwerkrank findet) tränenreich wird – das liegt in der Natur der Sache.
 
Und die Moral von der Geschichte, als die Frau mit dem Hund allein zurück bleibt? Ganz ohne Menschen geht es ja doch nicht. Sie geht in eine Telefonzelle, hebt den Hörer und sagt: „Mama, it’s me.“ Und das war es dann.
Hat uns Robin Wright mit diesem Film genug erzählt (und, ehrlich gefragt, etwas über übliche Klischees hinaus)? Eigentlich nicht… Es sei denn, man empfindet dieses Epos der Traurigkeit aus eigener Disposition tief mit.
 
 
Renate Wagner