„Davon glaube ich kein Wort!“

Max Planck in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer

„Davon glaube ich kein Wort!“

Quantensprünge (1)

Von Ernst Peter Fischer
 
Als das Jahr 1900 gezählt wurde und die Genetik in die Gänge kam, saß in Berlin ein hochangesehener Professor für Physik und mühte sich mit den Farben ab, die ein schwarzer Körper zeigt, wenn man ihm Hitze zuführt und seine Temperatur steigt. Die Rede ist von Max Planck, der fast gar nicht mit dem Studium der Wissenschaft begonnen hat, die er dann durch die Einführung von Quantensprüngen im Oktober 1900 revolutionierte. Als sich der junge Planck um 1880 erkundigte, was er studieren sollte, holte er zuerst den Rat eines Musikwissenschaftlers ein, da Planck mit großer Leidenschaft Klavier spielte und als Schüler sogar eine Operette komponiert hatte. Zu seinem Entsetzten teilte ihm der Gelehrte mit, „Wenn Sie nicht wissen, daß Sie Musik studieren sollen, sondern fragen, ob Sie das überhaupt wollen, dann lassen Sie am besten die Finger davon.“
       Als zweite Option stand Planck die Physik vor den Augen, und er hat einmal erzählt, wie es ihm dabei ergangen ist: 
       „Als ich meine physikalischen Studien begann und mir bei meinem ehrwürdigen Lehrer [Philipp von Jolly an der Universität München] wegen der Bedingungen und Aussichten meines Studiums Rat erholte, schilderte mir dieser die Physik als eine hochentwickelte, nahezu voll ausgereifte Wissenschaft, die nunmehr, nachdem ihr durch die Entdeckung des Prinzips der Erhaltung der Energie gewissermaßen die Krone aufgesetzt sei, wohl bald ihre endgültige stabile Form angenommen haben würde. Wohl gäbe es vielleicht in einem oder dem anderen Winkel noch ein Stäubchen oder ein Bläschen zu prüfen und einzuordnen, aber das System als Ganzes stehe ziemlich gesichert da, und die theoretische Physik nähere sich merklich demjenigen Grade der Vollendung, wie ihn etwa die Geometrie schon seit Jahrhunderten besitze.“
       Natürlich schmunzelt man heute über solche Empfehlungen, aber der zitierte Professor konnte stolz auf ein solides Gebäude der Physik verweisen, das im Laufe der Geschichte entstanden war und neben der Mechanik und der Elektrodynamik noch eine dritte stabile Säule durch die Wärmelehre oder Thermodynamik bekommen hatte und unerschütterlich zu sein schien. Wer sich dies vor Augen führt, wird bemerken, daß einem das Lachen über Plancks Lehrer im Hals stecken bleiben und man sich der Frage zuwenden sollte, warum der Schüler trotzdem das so aussichtslos scheinende Fach gewählt hat.
       Eine Antwort darauf kann finden, wer in Plancks „Wissenschaftlicher Selbstbiographie“ nachliest, welchen Eindruck der Physikunterricht auf der Schule bei ihm hinterlassen hat. Dort hat ihm sein Lehrer den Satz von der Erhaltung oder Unzerstörbarkeit der Energie als Heilsbotschaft mit absoluter Geltung vermittelt. Planck beschreibt sein Erlebnis als Schüler so:
       „Unvergeßlich ist mit die Schilderung, die [mein Lehrer Hermann] Müller uns als Beispiel der potentiellen und der kinetischen Energie zum Besten gab, von einem Maurer, der einen schweren Ziegelstein mühsam auf das Dach eines Hauses hinaufschleppt. Die Arbeit, die er dabei leistet, geht nicht verloren, sie bleibt unversehrt aufgespeichert, jahrelang, bis vielleicht eines Tages der Stein sich löst und einem vorübergehenden Menschen auf den Kopf fällt“, hoffentlich ohne ihm einen bleibenden Schaden zuzufügen. 
 
 
© Ernst Peter Fischer