Der fahrende Wassertropfen

Das Rumpler Tropfenauto auf der Automobilausstellung 1921 in Berlin

von Uwe Blass

Rumpeler Tropfenwagen - SDTB / C. Kirchner - Mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin

Jahr100Wissen
 
Wir lernen aus der Geschichte nicht, was wir tun sollen.
Aber wir können aus ihr lernen, was wir bedenken müssen.
Das ist unendlich wichtig.
(Richard von Weizsäcker)
 
In der Reihe „Jahr100Wissen“ beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Bergischen Universität mit 100 Jahre zurückliegenden Ereignissen, die die Gesellschaft verändert und geprägt haben.
 
Der fahrende Wassertropfen
 
Jahr100Wissen-Interview mit Prof. Dr.-Ing. Uwe Janoske zur Präsentation
des Rumpler Tropfenautos auf der Automobilausstellung 1921 in Berlin

Im Deutschen Technikmuseum Berlin sowie im Technikmuseum München stehen die letzten beiden Automobile eines Fahrzeuges, welches 1921 seine Premiere auf der Automobilausstellung in Berlin hatte: Der sogenannte Tropfenwagen. Um welches Fahrzeug handelt es sich?
 
Janoske: Bei dem Wagen handelt es sich um eine Konstruktion von Edmund Rumpler (1872 – 1940), der erstmalig einen stromlinienförmigen Wagen aufbaute und seine Kenntnisse aus der Entwicklung von Flugzeugen dazu nutzte.
 
Woher kam der Name Tropfenwagen?
 
Janoske: Der Name leitet sich aus der Form des Wagens ab. Betrachtet man den Wagen von oben, erinnert die Form an einen fallenden Wassertropfen.
 
Das Straßenfahrzeug war eigentlich eine Notlösung seines Erbauers Edmund Rumpler. Aus welchem Grund?
 
Janoske: Edmund Rumpler, der Maschinenbau an der TH Wien studiert hat, gründete nach Stationen in der Automobilindustrie vor dem 1. Weltkrieg eine Firma für Luftfahrzeugbau. Während des 1. Weltkrieges entstanden mehr als 3000 Flugzeuge. Bedingt durch den Versailler Vertrag durfte Rumpler nach dem Krieg keine Flugzeuge mehr bauen und nutze seine Kenntnisse aus Automobil- und Flugzeugbau bei der Entwicklung des „R-T-Au“, dem Rumpler-Tropfen-Auto.
 

Rumpeler Tropfenwagen - SDTB / C. Kirchner - Mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin

Der Tropfenwagen wurde nach aerodynamischen Gesichtspunkten gestaltet und unterschied sich grundlegend von allen anderen Fahrzeugen. Was machte ihn so anders?
 
Janoske: Auffallendster Unterschied zu damaligen Fahrzeugen ist die stromlinienförmige Karosserie, die von der Form eines fallenden Wassertropfens inspiriert wurde. Mit Hilfe der Karosserie und den gewölbten Scheiben ergab sich ein cw-Wert von 0,28 bei einer Anströmfläche von 2,4 m². Ein Wert, der sich in der Größenordnung mancher Serienfahrzeuge von heute bewegt. Neben der Stromlinienform baute Rumpler einen Mittelmotor ein und verwendete anstatt der üblichen hinteren Starrachse eine Pendelachse, die er bereits 1903 patentiert hatte.
 
Rumpler setzte erstmalig am hinteren Fahrzeug die von ihm patentierte Pendelachse ein, die spätere Hersteller übernahmen. Machte das den Tropfenwagen wendiger?
 
Janoske: Durch die Konstruktion von Rumpler konnte es passieren, daß beim Ausfedern ein Kippmoment entsteht, das im Grenzbereich zu kritischen Fahrsituationen führen kann.
 
Das Fahrzeugkonzept wurde später sogar bei Rennwagen, wie dem Benz-Tropfenwagen eingesetzt. Trotzdem wurde der Rumpler Tropfenwagen kein kommerzieller Erfolg und die Produktion der knapp 100 Mobile schon nach nur vier Jahren eingestellt. Welche Gründe führten dazu?
 
Janoske: Es gab zahlreiche technische Probleme, die dem Erfolg des Fahrzeugs im Wege standen. Neben der Zuverlässigkeit der Motoren und der Lenkung, gab es in den ersten Modellen keinen Kofferraum. Das Fahrzeug wurde hauptsächlich als Taxi genutzt. Ein weiterer Erfolg war dem Fahrzeug nicht beschert.
 
Uwe Blass
 
Prof. Dr.-Ing. Uwe Janoske leitet den Lehrstuhl für Strömungsmechanik in der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik an der Bergischen Universität.