Kostbarkeit und Fundgrube

Beate Schroedter: "..denn lebensgroß gezeichnet und vermessen stehst Du im Künstlerbuch“ - Porträts Deutscher Künstler in Rom zur Zeit der Romantik (1832- 1845)

von Johannes Vesper

Franz Nadorp 1794-1876 „poetisch-heftig-geistreich-vielseitig“  
die Zentralfigur der Ponte-Molle-Gesellschaft (Selbstbildnis)
"..denn lebensgroß gezeichnet
und vermessen
stehst Du im Künstlerbuch“

Freund zeichnet Freund
Romantische Porträtzeichnungen aus Rom
 
Goethe, Liszt, Richard Wagner, Mendelssohn, natürlich Casanova schätzten es schon.  Für die deutschen Künstler in Rom in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es der Treffpunkt. Hier kam die Post aus Deutschland an. Hier erfuhr man per Aushang, welcher Künstler aus Deutschland erwartet und am Ponte molle (Milvische Brücke) empfangen werden mußte.

„ Ponte molle, ponte molle, heißt der schöne Zauberbogen. Allen, die herüberzoge,n schwingt das Glas, das schäumend volle!“, Die Rede ist von den deutschen Künstlern in Rom in der erstem Hälfte des 19. Jahrhunderts und ihrem Treffpunkt dort, dem Caffé Greco in der Via condotti in der Nähe der Spanischen Treppe, wo der Cappuccino auch vom heutigen Touristen noch geschätzt wird.. Rom übte von jeher eine ungeheure Anziehungskraft auf deutsche Künstler aus.

Winckelmann und Goethe folgend, kamen zwischen 1813 und 1848 etwa 1.200 deutsche Künstler nach Rom.  Sie  wurden jeweils von ihren Künstlerfreunden  im Norden Roms, an der berühmten Milvischen Brücke mit einem kleinen Fest empfangen. Seit 1813 nannte sich das Empfangskomittee  für die deutschen Künstlerkollegen „Ponte-Molle-Gesellschaft“  und seit den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts organisierte die Ponte-Molle-Gesellschaft das Frühlingsfest der deutsch-römischen Künstlerkolonie. Man traf sich früh morgens in phantasievollen Kostümen an der Porta Maggiore und zog zu den Cervaro-Grotten ca. 15 km östlich. Diese antiken Steinbrüche mit ihren teilweise eingestürzten Gewölben waren als Motiv für kleine Landschaftszeichnungen und Bilder geschätzt  und eigneten sich aber vor allem für das Kostümfest mit einem oder mehreren Fäßchen guten Velletri-Weines. Hier wurde das Nibelungenlied in Tiroler Dialekt vorgetragen. „Kunstkenner“ in Kostümen, mit Bettüchern drapiert oder mit mehlgeweißtem Gesicht stellten  zum Gaudi des Künstlerpublikums antike Skulpturen nach. Scheibenschießen auf den Kunstkritiker aus Pappe krönte das Fest. Der Künstlerchor trat nächtlich am Kolosseum auf, bis er später von der päpstlichen Polizei verboten wurde. Jeglicher Unsinn wurde im Kreis der Ponte-Molle-Ritter kultiviert und triumphal befeiert. Thorvaldsen, Peter von Cornelius, J.A. Koch, J.C. Reinhart, Wilhelm Schadow  waren immer wieder Gäste der berühmten Cervaro-Feste der Ponte-molle-Gesellschaft.

Die antibürgerliche Kombination aus Bohemien, Burschenschaft und deutschem Vereinswesen war eine  große Attraktion im Rom der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Künstlerisch entwickelten die Deutschrömer jener Zeit, von den autochthonen Römern als langhaarige Altkatholiken verspottet, ihre religiös und national gefärbte Malerei an Vorbildern der Renaissance und Albrecht Dürer. Die Lukasbrüder um Peter von Cornelius waren die Keimzelle der „Nazarener“. Unter diesen Künstlern kam die Idee auf, sich gegenseitig zu porträtieren. Vielleicht motivierte auch ein geringer künstlerischer Erfolg zu diesen Portraits, mit denen man dem Vergessen zu entkommen versuchte. Das Schicksal, als Künstler vergessen zu werden, traf gerade im damaligen Rom mit seiner ungeheuren Kulturdichte nicht wenige. 1832 legten die Nazarener der Ponte-Molle-Gesellschaft die „Sammlung von Bildnissen deutscher Künstler“ an, die bis 1845 geführt wurde. Die Porträtmalerei bekam ja bald Konkurrenz durch die Erfindung der Photographie, die das gemalte Porträt weitgehend ablöste.

Die römische Porträtsammlung deutscher Künstler in Rom blieb in den Archiven erhalten. Die Ausstellung mit mehr als 80 Porträts wurde erstmalig in größerem Rahmen im Winckelmann-Museum Stendhal vom 16.03.- 25.05. 2008  und anschließend im Casa di Goethe in Rom gezeigt. Zur Ausstellung erschien im Verlag Franz Philipp Rutzen ein von Beate Schroedter bearbeiteter Katalog, in dem nicht nur die Porträts sondern auch weitere Zeichnungen aus jener Zeit von Rom und Umgebung in vorzüglicher Qualität abgedruckt sind. Besonders informativ sind die sorgfältig recherchierten Lebensläufe der abgebildeten Künstler. Der Katalog ist eine Kostbarkeit und für den Interessierten eine Fundgrube.

..denn lebensgroß gezeichnet und vermessen stehst Du im Künstlerbuch“  
Porträts Deutscher Künstler in Rom zur Zeit der Romantik (1832- 1845)
Katalog der Ausstellung in Stendhal und Rom (Casa di Goethe) von Beate Schroedter
© 2008 Verlag Franz Philipp Rutzen - ISBN 978-3-938646-29-8
256 Seiten, 219 Farbabbildungen, 42,-€

Weitere Informationen unter: www.rutzen-verlag.de