„Davon glaube ich kein Wort!“ Ludwig Boltzmann in der Anekdote Von Ernst Peter Fischer
Schopenhauer und Bier
Ludwig Boltzmann (2)
Als Student stand Boltzmann einmal im Keller des physikalischen Instituts, an dem er in Wien studierte, vor drei riesigen Röhren, die mit Salzlösungen gefüllt waren. Es sollte bestimmt werden, ob sich im Verlaufe der Zeit zwischen den obersten und untersten Schichten der Lösungen ein Konzentrationsunterschied herausbilden werde. Der junge Boltzmann wunderte sich, daß man die zu erwartende Dauer nicht vor dem Aufstellen der Röhren berechnet hatte, griff zu seinem Bleistift und kam auf 3.000 Jahre. Die Professoren zeigten sich erst erstaunt und wunderten sich dann noch mehr, als Boltzmann spitzbübisch hinzufügte, „in einem Keller von durchaus gleichförmiger Temperatur kann keine Intelligenz bestehen“ – weil Leben grundsätzlich und ganz allgemein von Wärmeunterschieden abhängig ist –, und diese Unmöglichkeit, so Boltzmann grinsend, sei auch der Grund dafür, „daß der Versuch mit den Glasröhren so kläglich gescheitert sei“.
Als ausgewachsener Physiker hat sich Boltzmann auch viel zur Philosophie geäußert und dabei keine Angst vor drastischen Formulierungen gezeigt. Einmal hat er als Titel eines Vortrags die Formulierung vorgeschlagen, „Beweis, daß Schopenhauer ein geistloser, unwissender, Unsinn schmierender, die Köpfe durch hohlen Wortkram von Grund aus und auf immer degenerierender Philosophaster sei.“ Als der Veranstalter dies ablehnte – und Boltzmann dazu überredete, „Über eine These Schopenhauers“ zu sprechen –, wies der schmollende Physiker den ablehnenden Gastgeber darauf hin, daß er damit doch nur Schopenhauer selbst zitiert habe, der mit diesen deftigen Worten den berühmten Kollegen beschimpft hat, den er nicht leiden konnte, nämlich den dialektischen Geschichtsphilosophen Hegel.
Boltzmann geht in seinem Beitrag nicht nur auf eine, sondern auf verschiedene Thesen Schopenhauer ein, zum Beispiel auf die, „es existiert nichts als der Wille“, woraus der Philosoph schließt, „die einzige richtige Ethik besteht darin, daß der Wille sich selbst leugnet, und daß man den Übergang zum Nichts vorbereitet. Das ist dann das Glück.“
Boltzmann hält diese Ansicht für vollkommen verfehlt und es überhaupt für falsch, die Aufgabe einer Ethik darin zu sehen, „aus metaphysischen Argumenten zu deduzieren, ob das Leben als Ganzes ein Glück oder Unglück ist.“ „Kein Unglücklicher hat etwas davon“, so Boltzmann, „wenn wir ihm auch noch metaphysisch beweisen, daß das Leben ein Unglück ist.“ Der Physiker möchte die Menschen befreien „von der geistigen Migräne, welche man Metaphysik nennt“, aber besonders gelungen scheint ihm dies nicht zu sein, wenn man sich auf dem Buchmarkt umschaut und in die philosophischen Seminare reinhört.
Gelungen ist dafür die „Reise eines deutschen Professors ins Eldorado“, wie Boltzmann seinen Bericht über einen Aufenthalt in Kalifornien überschreibt. Er beginnt mit dem Verlassen einer Sitzung in Wien, und als Boltzmann sich nicht wie sonst üblich nach rechts wendet, um nach Hause zu gehen, sondern sich links hält, fragte ihn ein Kollege, „Wohin gehen Sie denn heute hin?“ „Nach San Francisco“, antwortete Boltzmann, der aber erst noch auf dem Bahnhof in aller Gemütlichkeit Jungschweinsbraten mit Kraut und Erdäpfel verzehrte und „einige Gläser Bier dazu trank. Mein Zahlengedächtnis, sonst erträglich fix, behält die Zahl der Biergläser stets schlecht“, wie zu lesen ist und wie man leicht versteht.
© Ernst Peter Fischer
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