Regenwälder. Sind sie noch zu retten?

Josef H. Reichholf und Johann Brandstetter – „Regenwälder – Ihre bedrohte Schönheit und wie wir sie noch retten können“

von Johannes Vesper

Regenwälder. Sind sie noch zu retten?
 
Von Johannes Vesper
 
Dieses Buch handelt von den Regewäldern der Tropen, die mit Brandrodungen vernichtet und so in profitbringendes Nutzland für Rinderweiden oder Sojaanbau verwandelt werden Die 200 Millionen Brasilianer wollen sich heute nicht wieder von den Neokolonialisten ausbeuten lassen, wollen den „unersetzlichen“ Regenwald nicht für die Weltverbesserer aus dem Norden (aus Europa vor allem) konservieren, wollen Fortschritt und Profit für sich. Deswegen wurden 2020 allein in Brasilien 15000 Quadratkilometer Regenwald vernichtet, um auf den frei gewordenen Flächen gewinnträchtig z.B. Futtermittel für unsere Stallkühe in Europa und Deutschland zu produzieren. Wie das deutsche methanfurzende Rindvieh den Regenwald auffrißt, wird sachkundig und augenöffnend in einem eigenen Kapitel vorgetragen ebenso wie die globalökonomisch durchaus komplexen Aspekte der der Subventionspolitik der EWG. Infolge der Subventionspolitik in Europa seien bereits vor Jahrzehnten Getreide-, Milch- Fleischproduktion hier über jeden Eigenbedarf hinausgewachsen und Überschüsse noch und nöcher erzielt worden. Produktivere Stallviehhaltung mit der komfortablen Schwemmentmistung habe die bei hier nur begrenzt vorhandenen Wiesen- und Weideflächen weniger profitable Freilandhaltung ersetzt, was durch Futtermittelimport aus Übersee möglich geworden sei. Für deren Produktion werden seit Jahrzehnten Regenwälder gerodet. Dank Billigfleisch aus fabrikmäßiger, exzessiver Tierhaltung der industriellen Landwirtschaft. Hierzulande werden also Natur und Umwelt der Tropen und deren Wälder zerstört. Das exponentielle Wachstum der fleischfressenden Menschheit in Verbindung mit einer weltweit auf Wachstum und Profit beruhenden Landwirtschaft gefährdet die Regenwälder, deren Artenvielfalt und den ganzen Planeten. Bekannterweise addiert sich die methangashaltige Flatulenz der Rindviecher zu den Folgen der Verbrennung von Erdöl und Erdgas mit der Folge ansteigender CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre bzw. bedrohlichen Klimawandels.
 
Dabei ist das Thema bereits seit Jahrhunderten virulent. Den europäischen Einwanderern nach Nordamerika ist es in nur 300 Jahren gelungen, die riesigen Waldgebiete zwischen Mississippi und der Atlantikküste, ehemals das größte außertropische Waldgebiet der Erde, bis auf wenige Restflächen zu vernichten und damit der indigenen Bevölkerung („Indianer“) ihre Lebensgrundlage zu entziehen. „Go West“ führte zu riesigen Staubstürmen und damit zur „Great Depression“, der Wirtschaftskrise der USA in den 1930er Jahren, wird im Buch ausgeführt. In Europa hatte nach den Schäden durch die letzte Eiszeit die Erholung der Wälder kaum begonnen, als sie Wälder durch Siedlung und Landwirtschaft der Menschen vor rund 12.000 Jahren gleich wieder unter Druck kamen. In der Antike wurde der Raubbau des Waldes von den Römern fortgesetzt, die Unmengen Bauholz für ihre Schiff und Brennholz für ihre Badeanstalten benötigten. Der Limes blieb für Jahrhunderte die Grenze zwischen kultiviertem Römerland und den waldreichen „barbarischen Regionen des Nordens“.
 

Brandrodung im Mato Grosso - Foto © Johannes Vesper

Mit Beginn des 2. Jahrtausends n. Chr., später in der Kolonialzeit weiter zunehmend, nahm die Abholzung der Wälder erneut Fahrt auf und führte zur Verkarstung und Entwaldung der Mittelmeeranrainer. Insgesamt dauerte die menschengemachte Vernichtung der Wälder Europas einige Jahrtausende. In den USA wurden dafür ca. 300 Jahre (1620-1920) benötigt. Und die tropischen Regenwälder verminderten sich allein in den letzten 40 Jahren um ca. 50%, „also in nur einem Prozent des Zeitaufwandes für die europäische Waldvernichtung“. Während in der ersten Waldvernichtung in Europa über immerhin Tausende von Jahren die Rodung und Urbarmachung des Waldes der autochthonen Bevölkerung und ihren Lebensbedingungen dienten, war die Vernichtung des Waldes in den USA in ca. 300 Jahren „räuberische Landnahme auf Kosten der indianischen Bevölkerung, die zuvor den Wald genutzt aber eben nicht vernichtet hatte“ und die indigene Bevölkerung der gerodeten Tropenwälder Amazoniens, der Kongoregion und Borneos landete in den Slums tropischer Megastädte, weil Europäer, Nordamerikaner und die ähnlich lebenden Ostasiaten, Gummi (Kautschuk in Amazonien), tropische Edelhölzer, Soja, Palmöl benötigen. Den ursprünglichen Besitzern, also den indigenen Völkern kommt und kam dieser Resourcenreichtum kaum zu Gute. Die Nambiquara im Mato Grosso lebten schon 1970 in Folge der bereits damals verbreiteten Brandrodung im Elend.
 
Auf gerodeten, mageren Regenwaldflächen dann wird die eiweißreiche und fetthaltige Sojabohne angebaut. Dank Bradyrhizobium japonicum - das Bakterium kann Stickstoff aus der Luft aktivieren - benötigt Soja keinen Dünger und wird zusätzlich zur Futterproduktion auch für die menschliche Ernährung zunehmend bedeutsam. Zusätzlich zum Sojaanbau führen auch Palmplantagen zum Tod des Regenwaldes. Mehr als die Hälfte des nach Europa eingeführten Palmöls (2018 7,6 Millionen Tonnen) wird zu Biodiesel für Autos und für die Energiegewinnung in Kraftwerken genutzt, der Rest wird benötigt für Pizza, Kekse, Seife, Kosmetik und vieles andere mehr. Europäischer Konsum und europäische Lebensweise zerstören den Regenwald der Tropen. Außerdem importieren wie, der globale Norden, tropische Edelhölzer ( z.B. Mahagoni, Teak) für die Herstellung von Möbeln und Fensterrahmen. Mit der Vernichtung der tropischen Regenwälder sterben Arten irreversibel aus. Von ca. acht Millionen Tier- und Pflanzenarten (davon rund 5,5 Millionen Insektenarten) drohen eine Million in den nächsten Jahrzehnten zu verschwinden (Weltbericht zum Artensterben 2019, „Stern“ 06.05.2019).
 

Brandrodung im Mato Grosso - Foto © Johannes Vesper

Können die tropischen Regenwälder gerettet werden? Die Autoren haben Hoffnung. Waldvernichtung ist im Gegensatz zum Artensterben prinzipiell reversibel, das wurde in Mitteleuropa gezeigt, wurden die im Mittelalter gerodeten Flächen doch großteils wieder aufgeforstet. Ob private Landkäufe zum Schutz des Regenwaldes, wie von Regenwaldschutzorganisationen und den Autoren propagiert, helfen könnten? Gegen Landgrabbing von reichen Erdölstaaten und großen Schwellenländern, oder von spekulativen Investoren wird man schwerlich ankommen. Und China z,B. kauft seit Jahren in Afrika wie in Ostasien Land und Nutzungsrechte, um sich Nahrungsmittel, Holz, Mineralien, Energiepflanzen, Futtermittel zu sichern, sicher nicht aus Gründen des Naturschutzes. Der Fotograf Sebastião Salgado versucht such in Brasilien zu retten was zu retten ist. Hilft Naturtourismus in die Tropen? Allemal besser als Abholzung, glauben die Autoren, den ökologischen Effekt von Fernreisen dabei ausblendend.  
 
Interessant und unterhaltsam, lebendig und sachkundig werden die provokanten, des Nachdenkens werten Ideen und Gedanken des Autors präsentiert. Das schöne Buch handelt nicht zuletzt auch von der Schönheit der Regenwälder, also z.B. vom Schwirrflug der Kolibris und der Farbenpracht der Paradiesvögel. Die gesamte Flora und Fauna faszinieren schon beim Lesen des Textes von Josef Reichholf und den illustrierenden, kolorierten Zeichnungen, Schautafeln und Karten von Johann Brandstetter, die zum Teil auf anderes Papier gedruckt worden sind.
Im Literaturverzeichnis finden Interessierte Hinweise auf weiterführende Literaturen.
 
Josef H. Reichholf und Johann Brandstetter – „Regenwälder – Ihre bedrohte Schönheit und wie wir sie noch retten können“
© 2021 Aufbau Verlag Berlin, 270 Seiten, Leinen, mit zahlreichen Schautafeln und Karten – ISBN: 978-3-351-03825-0
32,90 €

Weitere Informationen: www.aufbau-verlag.de