Fasten Zeit

von Detlef Färber

Detlef Färber - Foto © Silvio Kison
Fasten Zeit
 
Fast hätt' ich dieses Jahr die Fastenzeit verpaßt: Diesen schönen Brauch, der auch die hartnäckigste Bauchspeckfalte binnen sieben Wochen spurlos verschwinden läßt. Und ein paar dumme Angewohnheiten noch dazu. Aber schon sind die ersten drei Fastenwochen vorbei - und meine Chance, ein ranker schlanker Jüngling zu werden, ist für dieses Jahr dahin. Trotzdem hab' ich heute die Kurve gekriegt und mich - willensstark, wie ich bin - entschlossen, die Sache mit dem Fasten mal ganz anders anzugehen: als Fast-Fasten.
Ab sofort beantworte ich alle Fragen grundsätzlich mit fast: Ist das Projekt fertig? - Fast. Oder: „Wolltest Du Dich nicht bei mir melden?“ - Hätt' ich fast. Oder: Haben Sie sich entschieden? - Ja, fast. Bereits nach wenigen dieser Fast-Antworten entfaltet sich der volle Fasten-Effekt: als ein fast schon rauschhaftes Glücksgefühl des Verzichtens. Eines völligen Verzichts auf Vollzähligkeit, Vollkommenheit und Vollendung - also auf die perfiden Drogen des Perfektionismus. Was ist dagegen das bißchen Verzicht aufs Vollgefressen-Sein und auf den Vollrausch? Doch bloß reine Wellness.
Das Fast-Fasten ist aber reine Philosophie: höchste gedankliche Strenge. Und die macht nicht mal vor der Feierabend-Gemütlichkeit halt. Ich stelle mein Lieblingsbier vor mich hin, um es nach meinem früheren Fastenbrauch standhaft zu verschmähen. Und ich verschmähe es gemäß meinem neuen Fastenbrauch fast.
Diese Fasten-Erfahrung ist - wie soll ich sagen - fast-zinierend!
 
 
© Detlef Färber