Rom
Alle Wege führen bekanntlich nach Rom, doch warum dann dort immer den ausgetretenen Pfaden folgen, die den Touristen durch das historische Zentrum von der Spanischen Treppe, über den Trevibrunnen, das Pantheon zur Piazza Navona führen? Auch Rom besitzt Orte, die die Reiseführer nicht oder nur flüchtig erwähnen. Das beste Mittel für eine ungewöhnliche Stadtrundfahrt bietet die Straßenbahn, die in einem Bogen um die Innenstadt herumrumpelt und die das Hop-on und Hopp-off umstandslos ermöglicht. Zudem bleibt man unter Römern, denn Touristen begegnet man in ihr kaum. Bevor wir die Tram der Linie 3 am Ausgang des Pincio gegenüber dem Museum für moderne Kunst bestiegen, waren wir am oberen Ende der spanischen Treppe weiter hochgestiegen, hatten einen
Am Zoo der Stadt vorbei klettert sie gemächlich in sanften Kurven hinan, im Passo umano –im menschlichen Schritt- , wie wir auf einem Schild lesen, durch eins der nobelsten Viertel Roms. Rosa oder weiß blühende Oleanderbäume säumen die Straße des Pinciano. Hinter dicken Mauern
An der Ecke zur Via Nomentana springen wir erneut ab, wollen zur
Wir laufen einige Straßenecken weiter, vorüber am Todeshaus des Dichters Pirandello zur Deutschen Akademie, der Villa Massimo, lesen am verschlossenen Tor, am Abend präsentieren die Künstlerstipendiaten ihre Werke, und dann kann wie beim Open-Day ein jeder die zypressen- gesäumten Kieswege zur Villa schreiten und den zwölf Künstlern begegnen, die in dieser Oase bis zu einem Jahr das römische Leben genießen können.
Die nahegelegene St. Agnes-Basilika mit der Bocciabahn, wo die gläubigen Spieler ihre Kugeln rollen lassen und die sieben kilometerlangen Katakombengängen sparen wir uns für morgen auf, denn wie magisch von ihr angezogen eilen wir zur Tram zurück, müssen indes lange auf sie warten, denn einen festen Fahrplan kennen in Rom weder Bahnen noch Busse. Nächstes Hop-Off ist der größte Friedhof der Stadt, der Verbano.
Wer noch nie einen italienischen Friedhof gesehen hat, der sollte hier die
Doch die Tram klingelt und nimmt uns wieder auf. An der Stadtmauer der Porta Maggiore vorbei steigen wir an der Porta S. Giovanni erneut aus, besichtigen nicht die Lateranbasilica, sondern die Scala Santa nebenan, staunen ehrfürchtig die Gläubigen an, wie sie im Gebet versunken die steile „heilige Treppe“ auf Knien hochrutschen, um oben angelangt dem Zwiegesang von Nonnen zu lauschen.
Vorsichtig, damit sie nicht aus den Gleisen rutscht, umkurvt die Tram das Colosseum. Soviel könnten wir besichtigen, doch wir entscheiden uns für den Celio, einen weiteren Hügel Roms, denn hier gibt es vor allem sonntags ein italienisches Familienspektakel zu sehen. Die Kirche Santa Maria in Domnica ist die Hochzeitskirche Roms, eine lange Schlange von Brautpaaren wartet ungeduldig darauf, für das Leben vereint zu werden. Sind sie es endlich, so eilen sie in den Park, wollen von professionellen Photographen in diesem stolzen Moment abgelichtet oder von der Familie vor der künstlichen Grotte mit der Handykamera verewigt werden. Die Kinder der italienischen Großfamilien stehen beim Luftballonverkäufer an, der Bräutigam schleckt an einem ersten Eis danach. Der Celio, in der Woche eine der Ruheoasen Roms, ist sonntags lebendige Bühne.
Umgestiegen in die Linie 13 wollen wir zum berühmtesten Schlüsselloch der Welt. Am Circo
Was bleibt uns jetzt noch? An der nächsten Station machen wir kurz Halt, Wir springen wieder in die Tram, die Fahrt aufnimmt, den Tiber quert, vorbei an der Porta Portese und dem größten Flohmarkt Roms. Wir haben Hunger. Doch erst noch den Gianicolo hoch zur Villa Sciarra, mit dem vielleicht schönsten, da auch verwilderten Garten Roms, mit einem winzigen
Vom Plateau des Gianicolo blicken wir über die abendliche Stadt hinüber zum Pincio, wo wir am Morgen mit unserer Tram aufgebrochen sind, steigen hinab zur Viale Trastevere in die beste Pizzeria der Stadt neben dem Kino, wo es zudem typisch römische Weißebohnengerichte gibt, vor allem die Fiagoli al Fiasco. Den Espresso nehmen wir in der Bar S. Calisto am gleichnamigen Platz, in der sich die römische mit der internationalen Bohème-Szene mischt. Hier kommt jeder mal vorbei, den man treffen möchte. Also warten wir und bleiben bis tief in die Nacht.
© Jörg Aufenanger - Zuerst erschienen in der Frankfurter Rundschau
Einige Rombücher (Auswahl und Kommentar von Jörg Aufenanger)
• Julien Gracq: Rom – Um die sieben Hügel, Amman- Verlag
(Römische Aufzeichnungen aus der Zeit des Aufenthalts in der Villa Massimo)
• Rolf Dieter Brinkmann: Rom – Blicke, Rowohlt
(Ebenfalls während der Zeit in der Villa Massimo geschrieben)
• Wie auch: Hanns-Josef Ortheil: Römische Sequenz
(Beides herausgegeben von Deutsche Akademie Rom)
• Marie Luise Kaschnitz: Engelsbrücke, S. Fischer
• Birgit Ohlsen: Zauberhaftes Rom, Wiesenburg Verlag (Kürzlich erschienen, ein sehr persönliches Rombuch der Autorin, die lange in Wuppertal gelebt hat, nun in Berlin
Redaktion und Bildauswahl: Frank Becker |