„Davon glaube ich kein Wort!“

Werner Heisenberg in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
„Davon glaube ich kein Wort!“
 
Werner Heisenberg in der Anekdote

 Von Ernst Peter Fischer

 
Die Mütter von Heisenberg und Himmler
 
Wolfgang Pauli und Werner Heisenberg waren beide Assistenten von Born, der den jungen Deutschen höher als den zynischen Wiener einschätzte, weil Heisenberg viel korrekter und zuverlässiger seine Dienstpflichten erfüllte und sich anderen Physiker gegenüber als kooperationswillig erwies. Heisenberg zeigte sich immer gut organisiert und einsatzbereit, wobei es einige Leute später manchmal dadurch nervte, daß er auch bei kleinen Anlässen alles daran setzte, zu gewinnen. Als er noch weit vor seinem 30. Geburtstag seinen ersten Lehrstuhl in Leipzig innehatte, ließ er im Keller des Instituts eine Tischtennisplatte aufstellen, an der er sich auch bald als Meister erwies – bis eines Tages ein Physiker aus China zu Gast war, der Heisenberg besiegen konnte. Der Professor nahm darauf ein Sondertraining auf und ließ sich solange von einem Tischtennislehrer unterweisen, bis er an der Platte in seinem Institut erneut unschlagbar war und strahlend triumphieren konnte.
       Bei allem Erfolg, den Heisenberg im Leben hatte – und den ich ausführlich in meiner Biographie „Werner Heisenberg – Ein Wanderer zwischen zwei Welten“ vorstelle –, es gab äußerst schwierige Zeiten für den vor Kreativität oft glühenden jungen Mann, die politischer Natur sind und mit dem Dritten Reich zusammenhängen, vor dem er nicht geflohen ist, weil er an der deutschen Heimat und ihre Verwobenheit mit der Kultur hing. Heisenberg hat sich zwar nie öffentlich von dem Regime distanziert, er hat aber privat alle Exzesse scharf mißbilligt und verurteilt – und dabei für Hitler den Decknamen „Schipanski“ benutzt. Heisenberg hat vor allem an den Stellen Mut gezeigt hat, an denen es um seine Wissenschaft, die Physik, ging. Als er zum Beispiel 1934 über „Wandlungen der Grundlagen der Naturwissenschaften in jüngster Zeit“ sprach, stellte er ausdrücklich fest, daß zum Beispiel die Relativitätstheorie kein willkürliches Verwirrspiel mit Raum und Zeit, sondern den Wissenschaftlern „durch die Natur selbst aufgezwungen worden“ sei und Einsteins Ideen einen grandiosen Fortschritt im Verständnis des Kosmos darstellten. Die Presse beschuldigte Heisenberg daraufhin ausdrücklich, „die Grundhaltung der jüdischen Physik“ zu vertreten, und schrieb: „Das Konzentrationslager ist zweifellos der geeignete Platz für Herrn Heisenberg.“ Ihren Höhepunkt erreichte die Hetzkampagne im Sommer 1937, als „Das Schwarze Korps“, die Zeitschrift des SS, Heisenberg frontal angriff und ihn als „weißen Juden“ beschimpfte, der „ebenso verschwinden müsse wie die Juden selbst“. Der Angegriffene mußte sich dagegen wehren, und Heisenberg beschloß in seiner Verzweiflung, sich direkt an den Reichsführer-SS Heinrich Himmler zu wenden, da er diesen Mann mehr oder weniger direkt erreichen konnte, und zwar auf folgendem Weg:
Heisenberg hatte als Schüler das Maximilians-Gymnasium in München besucht. Dessen Rektor hieß Nikolaus Wecklein und war Heisenbergs Großvater mütterlicherseits. Wecklein gehörte einem Wanderklub an, in dem sich bayerische Gymnasialdirektoren trafen, und zu ihnen gehörte auch Himmlers Vater Joseph Gerhard. Der alte Himmler war zwar 1936 gestorben, aber Heisenbergs Mutter hatte durch ihren Vater, den Rektor Wecklein, die Frau seines Kollegen Himmler kennengelernt. Nun bot sich Frau Heisenberg an, den Brief ihres Sohnes persönlich an Frau Himmler mit der Bitte zu überreichen, ihn ihrem Sohn Heinrich auszuhändigen. „Ach wissen Sie, Frau Himmler“, soll Heisenbergs Mutter bei der entscheidenden Begegnung der Damen gesagt haben, „wir Mütter, wir verstehen ja nichts von der Politik, weder von Ihrem Sohn noch von meinem Sohn, aber wir wissen, daß wir für unsere Buben sorgen müssen. Und darum bin ich bei Ihnen.“
So traf Heisenbergs Brief dank der mütterlichen Vermittlung im August 1937 auf persönlichem Weg bei Himmler ein, der ihn aber erst einmal liegenließ und sich bis zum November desselben Jahres Zeit nahm, bevor er reagierte. Anschließend dauerte es noch einmal bis zum Juli 1938, bevor Himmler die von ihm angeordnete Untersuchung des „Falles Heisenberg“ mit dem Ergebnis abschloß:
„Wir können es uns nicht leisten“, so heißt es in einem entsprechenden Schreiben und in einem eher makaber gehaltenen Stil, „diesen Mann, der verhältnismäßig jung ist und Nachwuchs hervorbringen kann, zu verlieren oder tot zu machen.“
       Für dieses zwar beruhigende, aber albern und banal formulierte Ergebnis, das zudem nicht den akademischen, sondern den biologischen Nachwuchs im Auge hat, hatte Heisenberg lange und quälender Verhöre durch die Gestapo über sich ergehen lassen müssen, in deren Verlauf ihm unter anderem vorgehalten wurde, homosexuell zu sein, etwas, das damals als Verbrechen behandelt wurde und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Einweisung in ein Konzentrationslager zur Folge hatte. In seinen Erinnerungen geht Heisenberg zwar mit keinem Wort auf diese Tortur ein, aber seine Frau hat später einmal davon erzählt, daß er selbst gegen Ende seines Lebens manchmal noch das Marschieren von Nazi-Stiefeln zu hören meinte, und es auch vorkam, daß er mitten in der Nacht aufwachte, weil er von Gestapo-Leute geträumt hatte, die über eine Treppe auf das Schlafzimmer zustürmten.
 

© Ernst Peter Fischer