André Poloczek ist tot

Er gehörte zur Elite der deutschen Cartoonisten

von Frank Becker

Foto © Frank Becker

André Poloczek ist tot
 
Er gehörte zur Elite der deutschen Cartoonisten
 
Seine Cartoons, Karikaturen, Comics und Illustrationen erschienen u.a. in: Cicero, Der Rabe, Die Mitbestimmung, Ruhr-Nachrichten, Eulenspiegel, Finanztest, Frankfurter Rundschau, mare, GEO Saison, iTALien, Konkret, Kowalski, Maxi, Pardon (die neue), Stern, Süddeutsche Zeitung, taz, Der Nebelspalter, titanic, Top Magazin, Wuppertaler Rundschau, 'ran, x-mag, Westdeutsche Zeitung, natürlich in den Musenblättern - zu deren Unterstützern der ersten Stunde er zählte - und etlichen anderen mehr. André Poloczek ist vor zehn Tagen gestorben und hat nicht nur in der Welt des Cartoons und der graphischen Kunst sondern auch in seinem großen Freundeskreis eine nicht zu stopfende Lücke hinterlassen.
 
POLO, so sein Künstlername, arbeitete mit aufmerksamem Blick auf das Alltagsgeschehen und die Natur und Marotten der Menschen, und er legte großen Wert auf das zeichnerische und graphische Handwerk. Mit spitzer Feder, Kohlestift oder Zahnbürste schuf André Poloczek unvergeßliche Arbeiten. 1996 bekam er den 1. Preis beim Berliner Karikaturensommer, vergleichbar mit dem Deutschen Kleinkunstpreis, sozusagen der „Oscar“ der Zeichner. Sein markanter Strich wurde erkannt und geschätzt, auch von privaten Auftraggebern, denn er arbeitet auch als Illustrator, Porträtkarikaturist und Werbegraphiker. Wenn er nicht zeichnete oder zur Entspannung zur E-Gitarre griff (Rock/Blues), war er auch ein vorzüglicher Kaffeemaschinen-Imitator und höchst begabt in der Nachstellung von Neckermann-Katalog-Seiten.Mit dem Hamburger Dichter und Satiriker Andreas Greve bildete er einige Jahre lang das Duo Jünger & Schlanker.
 

An zahllosen Gruppenausstellungen nahm er neben vielen Einzelausstellungen teil, u.a.: Caricatura Kassel, Ironimus, Köpenicker und Berliner Karikaturensommer, Lichtenberg Connection, „Zeichenlust und Kartengier“, München, Speyer, Neuss, 1. Österreichisches Karikaturenfestival, Feldkirchen, „Schreckliche Bilder“ Berlin, Café du Congo. Cartoon-Postkarten, Buchillustrationen und Veröffentlichungen in Cartoon-Sammelbänden und –Kalendern werden noch lange an ihn erinnern.
Seine Porträt-Karikatur von Hanns Dieter Hüsch, übrigens exklusiv für die Musenblätter gezeichnet, und hier auch immer wieder zu sehen, wurde von Hüschs Ehefrau als perfekt erkannt, während der Porträtierte vehement protestierte – so genau hatte POLO ihn charakterlich getroffen. Ähnliche Bilder von Hermann Hesse oder Joachim Ringelnatz legen Zeugnis von seinem unbestechlichen Auge ab.
 

Mit Sicherheit hat manch einer auch schon eines seiner vielen Bücher, in der Mehrzahl beim Lappan Verlag (aber auch im Semmel Verlach und der Edition 52) erschienen, in den Händen gehabt und nicht wieder hergeben wollen. Das ist zu verstehen, denn sie sind von tiefem Humor, der mitunter auch beißenden Spott und scharfe Satire enthält. Große Erfolge waren 1997 das geradezu prophetische „Die Post geht an die Börse“, 1998 das ultimative VW-Buch „Echt Käfer“ (beide mit Ari Plikat), der großformatige Band „Mama, was ist ein Klugscheisser?“ und seine Reihe „Cartoons für...“.  Viele Jahre gab es in ausgesuchten Apotheken den Wandkalender „Polo´s heitere Apothekenwelt“. In den letzten Jahren glänzte POLO auch als Herausgeber mit „Prost! – Das Buch zum Bier“ (Lappan Verlag 2016) und „Engels-Gesichter - Cartoons und komische Texte zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels“, (Edition 52, 2019), zu denen er die Crème der deutschen Cartoonisten zusammenbrachte.
 
Die Cartoon-Welt wird POLO und seinen tiefen, hintergründigen Humor vermissen. Seine Freunde den liebenswerten Plauderer, Gastgeber und Philanthropen.
 

Unvollständige Werkliste:
Arsch auf Grundeis, Semmel-Verlach, 1992
Walther – Teufelspakt und Minnesang (mit Axel Stöcker), Semmel-Verlach, 1993
Cartoons für Katzenfans, Lappan Verlag, 1995
Viel Spaß beim Tanzen, Lappan Verlag, 1997
Die Post geht an die Börse (mit Ari Plikat), Lappan Verlag, 1997
Cartoons für Banker, Lappan Verlag, 1998
Cartoons für Schwiegermütter, Lappan Verlag, 1998
Das unmögliche Euro-Handbuch (mit Mathias Taddigs), Lappan Verlag, 1999
Cartoons für Apotheker (mit Steffen Köpf), Lappan Verlag, 2000
Vegetarisch grillen, Lappan Verlag, 2001
Möchtest du darüber reden?, Lappan Verlag, 2003
Prost! – Das Buch zum Bier (Herausgeber), Lappan Verlag, 2016
Engels-Gesichter (Herausgeber), Cartoons und komische Texte zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels, Edition 52, 2019