Nicht mehr sonderlich interessant

„The Princess“ von Ed Perkins

von Renate Wagner

The Princess
Dokumentarfilm GB 2022
 
Regie: Ed Perkins

Es ist wahrscheinlich nicht übertrieben zu sagen, daß das Phänomen Diana, daß der Fall Diana einst die Welt „erschüttert“ haben, man konnte nicht daran vorbei gehen. Nun sollte ein Vierteljahrhundert genügen, um die Emotionen abkühlen und möglicherweise einen neuen Blick zu eröffnen. Das gelingt dem Film „Princess“ – quasi die Doku zum 25. Todestag am 31. August 1997 – nun absolut nicht. Vor allem, weil das Thema so ausgelutscht ist, daß es eigentlich nichts Neues dazu zu sagen gibt: Die Entscheidung bestünde nur darin, wie man die Fakten beleuchtet.
Und auch dazu entscheidet sich Ed Perkins nicht. Man liest von ihm, daß er nicht nur für einen „Oscar“ nominiert war, sondern als Dokumentarfilmer auch zahlreiche Preise geerntet  hat. Sein Umgang mit Diana ist klar, aber unbefriedigend. Er schneidet vorhandenes Dokumentarmaterial zusammen und läßt es für sich selbst sprechen. Das ergibt ungeheure Löcher, rein von der Information her, die nur derjenige füllen kann, der die Geschichte der Prinzessin genau kennt. Setzt Ed Perkins voraus, daß es noch so viele Diana-„Fachleute“ gibt, zumal diese ja alle, ein Vierteljahrhundert gealtert, nicht mehr jung sein können? Und möglicherweise das Interesse am einstigen Faszinosum verloren haben?
 
Immerhin, in einer Welt, die zwischen 1981, der Hochzeit von Diana mit Prinz Charles, und 1997, ihrem Unfalltod in Paris, noch nicht von Smartphones und Sozialen Medien geprägt war, ist bereits ungewöhnlich viel Bildmaterial, vorwiegend Fernsehberichte, über Diana und rund um sie erhalten. Zu Beginn gibt es vor allem „offizielles“ Material von Verlobung und Hochzeit, wo man das Königshaus bewußt zelebrierte (eine Blutauffrischung war nötig). Immerhin wirkt die anfangs kaum 29jährige bei den Interviews, die sie damals geben mußte, unbeholfen – und in jenem Fernseh-Interview Jahre später, wo sie sich und ihren Mann so bloßstellte, war sie im Grunde ähnlich verkrampft. Ein Royal zu sein, heißt, eine Rolle zu spielen, und das muß man auch können. Dianas Rolle war nicht die einer Prinzessin von Wales, sondern die einer trotzigen jungen Frau.
Sehr viel Raum gibt Ed Perkins in seinen Zusammenschnitten einer hysterischen Öffentlichkeit (darin ähnelt er dem derzeit laufenden „Elvis“-Film, der sich auch auf das Phänomen und seine Wirkung konzentriert). Einerseits wurde hier ein „Märchen“ für Leser der bunten Blätter erfüllt. Andererseits ist die Anteilnahme der Briten an der Königsfamilie (oder sie war es zu Dianas Zeiten) ohnedies überdimensional, und einmal stellt in einer Fernsehdiskussion jemand die richtige Frage, was mit ihnen wohl nicht stimmt, daß diese Dinge für sie so wichtig sind. Also – immer wieder im Bild: tobende Massen, erhitzte Gespräche mit „Fachleuten“ von TV-Kameras.
 
Weil man nichts anderes tun darf als zuschauen (erklärungslos), hält man sich an Details: die Körpersprache der Beteiligten (Charles, der von Anfang an klar zu machen schien, daß er das alles nicht will), hält sich an das klaustrophobische Gefühl der drängenden Massen, sieht sprunghaft die Entwicklung einer Frau, die sich als alleinige Medien-Persönlichkeit (und nicht als braver Teil der Königsfamilie) erfand. Alles alt bekannt. Schade, daß es von der berühmten Tanzszene mit John Travolta offenbar keine Filmaufnahme, sondern nur Fotos gibt: Das hätte man gerne in Bewegung gesehen.
 Ja, und dauernd wird „das Volk“ gefragt, was sie von Diana halten, und man hört – wie immer bei solchen Gelegenheiten – auch die dümmsten Kommentare. Und gar nicht immer positive für Diana – ganz so einfach war es doch nicht, Mitleid zu erregen, Opfer zu spielen und die geheiligten Royals anzuklagen…
Es gibt Fotos vom Autowrack in Paris, eine Karten spielende Männerrunde sieht sich im Fernsehen die Berichte von Dianas Tod in Paris an. War sie eine Göttin oder hat sie gar nicht so viel bedeutet? wird gefragt. Sie hat ihr Bild bestimmt, aber sie war natürlich auch das, was Menschen in ihr sehen wollten. Die Leute klatschten, als ihr Sarg aus der Kirche getragen wurde… (wie auch bei Johannes XXIII.) Sie hat der Welt ein Schauspiel geboten.
 
Eine Erzählstimme, die mit erläuternden Fakten und klärenden Kommentaren durch das Geschehen geleitet hätte, wäre hilfreich gewesen. So sind es einfach Bilder aus der Vergangenheit, die man schon kennt, historisch geworden, nicht mehr sonderlich interessant.
 
 
Renate Wagner