Fiebersenkend

Eine Reiseglosse

von Frank Becker

Fiebersenkend

 


Wenn einer eine Reise tut – dann ist das neben dem allbekannten Reisefieber (...hab´ ich alles eingepackt, die richtige Kleidung ausgewählt, der Nachbarin den Schlüssel für den Briefkasten gegeben, Fahrkarte und Reisepaß eingesteckt, Herdplatte und Kaffeemaschine ausgeschaltet?) auch häufig mit der Hektik und Nervosität des Reisens selbst verbunden. Ein Zug muß erreicht werden - obwohl das kaum noch ein Risiko birgt, seit die Bahn als ständigen Kundendienst für Säumige die reguläre Verspätung eingeführt hat. Ein Flugzeug muß erwischt werden: man muß stundenlang vor dem Abflug einchecken (da könnte man gleich mit der Bahn fahren, aber: s.o.), kein Parkplatz beim Abflugschalter, endlose Warteschlangen beim Economy-Check-In mit dem Gepäck als ständig lästigem Begleiter, quälend langweiliges Zeit-Vertropfen im unfreundlich kahlen Wartebereich zwischen wie besessen mobil telefonierenden Mitreisenden. Und auch hier geht es dann oft viel später los als geplant. Wie bei der Maschine einer Tiroler Gesellschaft, die eine Gruppe Journalisten von Frankfurt nach Klagenfurt bringen sollte, dann aber nicht flog, weil eine Maus an Bord gesehen worden sein sollte – 5 Stunden Verspätung. Oder man fährt doch mit dem Auto und bleibt im Stau z.B. auf dem Münchner Ring hängen.
Aber irgendwann ist es geschafft (der Reisende auch), man kommt an – mit Bluthochdruck und einer Fieberkurve, die problemlos der Silhouette des Matterhorn Konkurrenz machen kann. Jetzt hilft nur eins: Nach dem Ankommen zu sich kommen, Ärgernisse und  Hindernisse vergessen, den Kopf frei machen. Das ganze Geheimnis: ein Ventil finden, damit der Druck leise zischend entweichen kann, bildlich eine kühle Kompresse für die heiße Stirn. Jetzt an sich selber denken und sich der Gastfreundschaft des besuchten Landes anvertrauen, ist schon die erste gute Wahl.
Ich habe die richtige Medizin dafür in der klaren Herbstluft der Kärntner Berge gefunden. Auf Wanderwegen ohne Benzingestank, Motorenlärm oder MP-3-Gezischel. Beim gemütlichen Ritt auf einem geduldigen Haflinger. Bei einer Jause unterwegs mit deftigem Kärntner Speck und einen kühlen Bier dazu, Gailtaler Räucherlachs, einem Topfenstrudel mit Obers und einem „Verlängerten“, bei einer Floßfahrt auf dem traumschönen kristallklaren Weißensee zwischen Neusach und Naggl mit gegrilltem Saibling und Grünem Veltliner. Und dabei habe ich immer wieder – fast ungläubig – ausgesprochen lustvoll eine Luft eingesogen, die geradezu Kurqualitäten hat, ohne Sorge aus einem Bach am Weg getrunken oder einfach mit dem Glas während der Fahrt aus dem See geschöpft und geschlürft. Welcher geplagte Städter kann das zu Hause oder einfach in der Nacht das Fenster aufstehen lassen und nichts hören? Hier ging´s. Fiebersenkend. Garantiert.