Von Jumbo, Schnauz und Pony Hütchen

Guido Fuchs – „Spitznamen in der Literatur“

von Frank Becker

Von Jumbo, Schnauz
und Pony Hütchen
 
Wie literarische Figuren zu ihren Spitznamen kamen
 
Wer kennt sie nicht aus dem wirklichen, ja dem eigenen Leben – Spitznamen, die diesen oder jenen manchmal ein Leben lang begleiten und oft den wahren Namen in Vergessenheit geraten lassen. Wer sich z.B. nie aus dem Umfeld der Jugend entfernt, sondern mit den alten Schul- und Spielfreunden aufwächst und alt wird, kann den einmal gewonnenen Spitznamen wohl kaum loswerden, wird ihn vermutlich adoptieren und aus alter Gewohnheit (der eigenen und der der anderen) nicht mehr ablegen. Und eines schönen Tages weiß auf den ersten Blick niemand mehr, daß der Schrat einmal Frank und der Mecki einmal Helmut geheißen hat. Sie bleiben die Figuren aus den Mecki-Geschichten von Wilhelm Petersen aus der HÖR ZU ihrer Kinderzeit.
 
So geschah und geschieht es auch immer wieder Roman-Figuren, hier nun aber um der literarischen Pointe willen und nach Idee und Plan des Autors, deren Existenz regelrecht an den ihnen zuteil gewordenen, oft nahezu ehrenhaft verliehenen Spitznamen hängt. Um diesen Aspekt der Literatur kümmert sich ein großartiges Buch des Prof. emerit. Guido Fuchs, der Erzählungen und Romane von Hans Christian Andersen bis Stefan Zweig, von Ludwig Ganghofer bis Edgar Wallace, von Egon Erwin Kisch bis Hans Fallada und von Heinrich Spoerl bis Walter Kempowski nach Beispielen durchforscht hat und auf mannigfaltige Fundstücke gestoßen ist. Daß sich Guido Fuchs aber nicht auf die literarische Fiktion beschränkt, sondern autobiographische Texte und private eigene Erinnerungen und solche berühmter Autoren mit einbezieht, macht die Lektüre besonders unterhaltsam und neben dem wissenschaftlichen Wert für alle leicht nachvollziehbar.
 
Durch seine unvergeßliche Verfilmung ins kollektive Gedächtnis eingesunken ist der heitere Schul-Roman „Die Feuerzangenbowle“ des oben bereits erwähnten Heinrich Spoerl. Das ist förmlich ein Reigen von Spitznamen. Erinnern Sie sich? Pavian, Bömmel, Schnauz, Fridolin, Zeus – wir hatten auf unserer „höheren Lehranstalt“, einem Humanistischen Gymnasium, die Gegenstücke „Pelz“, „Hummel“, „Häbu“ oder „Kongo“.
Vergessen wir nicht einen der populärsten Spitznamen-Erfinder der deutschen Literatur: Erich Kästner. Ihm verdanken wir aus „Das fliegende Klassenzimmer“ den Justus und den Nichtraucher, aus „Pünktchen und Anton“ das Pünktchen, die eigentlich Luise hieß und aus „Emil und die Detektive“ Pony Hütchen, Gustav mit der Hupe, den Professor und in der Fortsetzung „Emil und die drei Zwillinge“ den kleinen Dienstag.
 
Guido Fuchs dröselt in 18 Kapiteln die Genres der Spitznamen auf, deren er in der Literatur habhaft wurde, nach Verballhornungen eigentlich schöner Namen, besagten Lehrern, körperlichen Merkmalen als Ursprung, Phonetik, Etymologie und religiösen und rassistischen Spitznamen. Daß Spitznamen sogar vererbt werden und wie der eine oder andere mit seinem Spitznamen umgegangen ist, erfahren wir auch. Es ist eine unerschöpfliche Fundgrube mit der Garantie zum höchsten Vergnügen.
Sagen wir es getrost mit dem Klappentext des Buches: „Warnung: Dieses Buch enthält Spuren inkorrekter Sprache und kann zu herzhaftem Gelächter führen.“ So ist es. Päng!
Der einzige Wermutstropfen ist, daß im Gegensatz zum Autorenregister ein Verzeichnis der untersuchten Spitznamen fehlt.
Von den Musenblättern dennoch zur immer wiederkehrenden Lektüre sehr empfohlen und mit unserem Prädikat, dem Musenkuß ausgezeichnet.
 
Guido Fuchs – „Spitznamen in der Literatur“
(Vorwiegend heiter bis boshaft)
© 2022 Verlag Monika Fuchs, 253 Seiten, gebunden, Autorenregister, Literaturverzeichnis – ISBN: 978-3-947066-36-0
 
 
Weitere Informationen:  www.verlag-monikafuchs.de