Eine Geschichte, die sich wünscht, daß sie möglich wäre

„Nicht ganz koscher“ von Stefan Sarazin und Peter Keller

von Renate Wagner

Nicht ganz koscher
No Name Restaurant - Deutschland 2022

Drehbuch und Regie: Stefan Sarazin, Peter Keller
Mit: Luzer Twersky, Haitham Omari u.a.
 
Je schärfer sich die Abgründe zwischen Einzelmenschen und Völkern auftun, umso mehr träumt man von Versöhnung. Es müßte doch möglich sein, wenn man nur miteinander redete, wenn man einander besser kennen lernen würde… Es müßte doch!
 
Die Filmemacher Stefan Sarazin und Peter Keller erzählen von einem Juden und einem Palästinenser, die in der Wüste Sinai gewissermaßen als Schicksalsgemeinschaft zusammen geschmiedet werden. Da mag eine gute Portion Realismus in der a priori mit Humor getränkten Geschichte stecken – aber natürlich ist sie ein Märchen. Nicht nur, wenn ein verlaufenes, gesuchtes Kamel genau zum richtigen Zeitpunkt rettend auftaucht, um den beiden ein Seil in den Brunnen zu werfen, in den sie gestürzt sind!
Sondern vor allem am Ende, an dem sowohl orthodoxe Juden wie auch fundamentalistische Araber zu kauen haben werden, wenn die beiden Herren schließlich ihre Rollen tauschen. Sie haben einander in langen Wüstenstunden jeweils genug von ihrem Glauben erzählt, daß jeder als der andere durchgehen kann – der Araber findet es bei den Juden recht gemütlich, der Jude ist durchaus zufrieden als arabischer Fremdenführer tätig. Welch eine Aussage!
Daß dergleichen funktioniert, hat mit Authentizität zu tun: Die Hauptdarsteller sind das, was sie spielen – Luzer Twerski kommt, wie Ben im Film, aus einer streng jüdischen Gemeinde in Brooklyn, und Haitham Omari ist das, was der Beduine Adel verkörpert, nämlich ein Palästinenser aus Ost-Jerusalem. Und über ihre Religionen, um die es geht, wissen sie Bescheid. (Am Ende fügt das Drehbuch auch noch hilfreiche Katholiken in die Geschichte – dann hat man im Heiligen Land alle relevanten Religionen beisammen).
 
Der Jude ist der Ich-Erzähler. Zuhause wollen die Eltern den 33jährigen unbedingt verheiraten, ob er will oder nicht. Aber es gibt eine Fluchtmöglichkeit – als Seitenstrang der Handlung erlebt man eine jüdische Gemeinde im ägyptischen Alexandria. Ihnen fehlt der zehnte Mann für das Pessach-Fest, und wenn sie es nicht feiern können, fällt ihr Besitz an den ägyptischen Staat. Die Juden rotieren, die Ägypter reiben sich schon die Hände, und Ben bricht als programmierter Retter nach Jerusalem auf.
Von dort über die Wüste Sinai ins ägyptische Alexandria zu kommen – das ist mehr als ein Road Movie, das ist ein Abenteuer, erst recht, wenn er angesichts einer feindlichen Umwelt aus dem Bus steigt und sich mutterseelenallein in der endlosen Wüste wiederfindet.
Wie gut, daß bei den Arabern noch die Gesetze der Gastfreundschaft gelten – Adel, der in seinem klapprigen Lastwagen daher kommt, eigentlich auf der Suche nach seinem entlaufenen Kamel, läßt Ben natürlich nicht in der Wüste verrecken. Englisch sprechen glücklicherweise beide, sonst wäre es noch schwieriger. Und weil es ein deutscher Film ist, sprechen sie Deutsch. Man muß es mit der Logik nicht übertreiben.
 
Ben und Adel sind zwar von ihren Religionen überzeugt, doch keine Fanatiker, die etwa bei verschiedenen Eßgewohnheiten ernsthaft aneinander geraten würden. Und wenn Ben am Sabbat nichts tragen darf, tut es Adel für ihn… Die Annäherung ist trotz einiger Spannungen glaubhaft, Der Weg, den der Film nimmt, ist es natürlich nicht. Da überwiegen dann die grotesk-komödienhaften Elemente. Es ist eine Geschichte, die sich wünscht, daß sie möglich wäre. Wann hat das Wünschen zuletzt geholfen?
 
 
Renate  Wagner