Die Richtung stimmt

Biden und Xi nehmen Gesprächsfaden auf

von Lothar Leuschen

Foto © Anna Schwartz
Die Richtung stimmt
 
Biden und Xi nehmen Gesprächsfaden auf
 
Von Lothar Leuschen
 
Angesichts der Weltlage, eines Krieges in Europa, von Krisen und Katastrophen hat das erste persönliche Treffen von US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Xinping etwas Beruhigendes. Zwar gibt es keine konkreten Ergebnisse, sprechen sich die beiden Staatsmänner lediglich einmütig gegen den Einsatz von Atomwaffen aus, aber es wird auch nicht mit Säbeln gerasselt. Dabei gibt es zwischen China und den USA genügend Konfliktpotenzial. Das Reich der Mitte ist wirtschaftlich und politisch inzwischen weltweit unterwegs und stößt mit seinen Interessen zunehmend an die der US-Amerikaner. Hinzu kommt, daß sich Taiwan zum Pulverfaß zwischen beiden Ländern entwickeln kann, wenn China sich nicht zügelt, die Insel seinem Reich einzuverleiben. Daß die USA an ihrer Ein-China-Position festhalten, beinhaltet schließlich ausdrücklich nicht, daß Biden es hinnähme, wenn Xi seine Truppen nach Taiwan schickte. Für diesen Fall hatte Biden dem Inselstaat bereits direkte militärische Unterstützung zugesagt. Die Standpunkte sind mithin klar, sie bedurften keiner Erläuterung mehr.
 
Vermutlich ging es bei dem Treffen tatsächlich auch mehr um Kennenlernen und darum, diplomatisch rote Linien abzustecken. Es ging darum, Gesprächsbereitschaft zu zeigen in Zeiten, in denen an so vielen Lunten bereits Feuer liegt. Dass der ganz große Knall weder im Interesse Chinas liegt noch im Interesse der USA, ist den Gesprächspartnern offenbar bewußt. Beide noch so unterschiedlichen Gesellschaftssysteme sind auf Wirtschaftswachstum angewiesen. Deshalb haben sie sich gegenseitig auch versichert, die Kontakte wieder vertiefen zu wollen. Dass die Koexistenz von China und den Vereinigten Staaten von Amerika diese Richtung einnimmt, ist vermutlich das wichtigste Ergebnis des Treffens. Dafür hat Biden einen überschaubaren Preis bezahlt, indem er China indirekt zur zweiten Weltmacht neben seinen USA erklärte. Ganz nebenbei haben Xi und Biden gleichzeitig einen an den Katzentisch verbannt, der mit einem irrsinnigen Angriffskrieg versucht, alte Kräfteverhältnisse wiederherzustellen.
 

Der Kommentar erschien am 15. November 2022 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.