Oftmals schräg, immer wieder amüsant

„Die goldenen Jahre“ von Barbara Kulcsar

von Renate Wagner

Die goldenen Jahre
Schweiz 2022

Regie: Barbara Kulcsar
Mit: Esther Gemsch, Stefan Kurt, Ueli Jäggi, Gundi Ellert u.a.
 
Sind die Schweizer wirklich so seriös, wie es den Anschein hat? Will man dem Kino glauben (auch zuletzt in dem Film „Wanda, mein Wunder“), dann wohl nicht. Als Peter Waldvogel (Stefan Kurt) endlich in Rente gehen kann, möchte er erleichtert durchatmen und am liebsten gar nichts mehr tun. Seine Frau Alice (Esther Gemsch) hingegen jubelt aus einem anderen Grund: Endlich Schluß mit dem langweiligen Zuhausehocken, jetzt geht es los! Jedenfalls auf eine Kreuzfahrt, was der Gatte entsetzlich findet, aber was soll er tun? Außerdem schließt sich ihn ihnen der Senior Heinz (Ueli Jäggi) an, Freund der Familie, dessen Frau, eine gute Freundin von Alice, eben erst gestorben ist…
Das ist die Ausgangssituation des Schweizer Films „Die goldenen Jahre“, worin Regisseurin Barbara Kulcsar erzählt, daß die Dinge nicht immer sind, was sie scheinen – und wo es allerlei unerwartete Drehungen und Wendungen der Geschichte gibt (die mehr nach „Drehbuch“ riechen als nach Leben).
 
Auf dem Schiff ist der Gatte so mieselsüchtig wie immer, hat kein anderes Bedürfnis, als müde herumzuhängen, und die äußerst unternehmungslustige Tischgefährtin Michi (Gundi Ellert) heitert ihn auch nicht auf. Wenn Alice bei einem Landausflug in Marseille ausbüchst, möchte sie dem Liebhaber (!) ihrer verstorbenen gleichaltrigen Freundin, dessen Briefe sie gefunden hat, deren Tod mitteilen – und merkt, daß Claude (Monica Budde) kein Mann war und sie in einer lesbischen Frauenkommune gelandet ist.
Alice lernt in Gestalt eines älteren deutschen Ehepaars (Andre Jung und Teresa Harder), das in seinem Camper fröhlich durch die Lande zieht (statt zuhause auf das Lebensende zu warten), alternative Lösungen kennen, die mit dem Gatten allerdings nicht zu realisieren sind.
Also muß man sich zuhause etwas ausdenken, wo der Film noch mit den Problemen der beiden Kinder des Paares belastet wird – die schlechte Ehe der Tochter, die sich nicht über die Eltern freut („Seit ihr pensioniert seid, seid ihr so gaga!“), der Sohn, der extrem junge Mädchen zu Hunderten verbraucht (bei ihm lernt Mama, bei Tinder nach einem Sexpartner zu suchen). Das Ende ist dann wirklich ungewöhnlich, jedenfalls spielt ein Camper dabei eine Rolle, aber es sitzen nicht die Leute drin, die man erwarten würde.
 
Der Film ist oftmals schräg, immer wieder amüsant, aber daß er inhaltlich auch echte und sogar tragische Elemente hat, daß hier grundsätzlich eine weit verbreitete Problematik über verschiedene Erwartungen an das „goldene Alter“ dahinter steckt, wird weitgehend ausgespart. Die Spekulation ist allzu spürbar, ungewöhnliche (Kino-)Lösungen zu finden, die psychologisch nicht wirklich haltbar sind. Es sei denn, Damen über 60 drehen wirklich dermaßen durch, weil sie sich das Kino zum Vorbild nehmen…?
 
 
Renate Wagner