Nur der halbe Schritt

Regierung will Einbürgerung erleichtern

von Lothar Leuschen

Foto © Anna Schwartz
Nur der halbe Schritt
 
Regierung will Einbürgerung erleichtern
 
Von Lothar Leuschen
 
Der Vorstoß kommt überraschend. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will Einbürgerung in Deutschland erleichtern. Sie richtet sich mit diesem Angebot an derzeit etwa elf Millionen Menschen, die ohne deutschen Paß in Deutschland leben. Vielen dieser Einwohner käme eine Neuregelung des Staatsbürgerrechtes vermutlich entgegen. Es ist nicht sehr komfortabel, dauerhaft als Ausländer in einem Staat zu leben, der auf jeden Fall die neue und endgültige Heimat sein soll. Insofern ist Faesers Plan freundlich und fair. Warum die Ministerin ausgerechnet in diesen Monaten mit ihrem Plan an die Öffentlichkeit geht, ist hingegen unklar.
 
Deutschland ist gegenwärtig und erwartbar auch in der nahen Zukunft Fluchtpunkt für Menschen aus der Ukraine und zunehmend auch wieder aus Afghanistan und Syrien. In diesen Zeiten arbeiten alle Kommunen und deren Behörden schon unter Vollast. Beschleunigte Einbürgerungsverfahren werden sie kaum mehr bewältigen können. Diese Situation sollte sich auf absehbare Zeit aber normalisieren.
 
Dennoch ist das neue Einbürgerungsrecht, wenn es denn alle politischen Hürden nehmen sollte, nur der halbe Schritt in eine richtige Richtung. Tatsächlich kann von „Verramschen der Staatsbürgerschaft“, wie aus CSU-Kreisen geschimpft wird, keine Rede sein. Es spricht für einen Staat, wenn er einbürgerungswillige Einwohner zügig identifiziert und integriert. Das allerdings erfordert deutlich mehr Fördern als bisher und gleichzeitig sanktionsbewährtes Fordern. Aber all die einladende Gesetzeskosmetik löst Deutschlands Hauptproblem in der Zuwanderung nicht. Längst überfällig ist ein Einwanderungsgesetz, das regelt, wer aus welchen Gründen nach Deutschland kommen und bleiben kann. Staaten wie die Schweiz und die USA haben damit offenbar gute Erfahrungen gemacht. Für Kanada ist das Zuwanderungsgesetz sogar zur Säule des Erfolgs dieser multikulturellen Nation geworden. Und ganz nebenbei kann eine klare rechtliche Regelung auch politisch rechten Sumpf trockenlegen.
 

Der Kommentar erschien am 28. November 2022 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.