Nach Kassenlage

Lehrermangel an deutschen Schulen

von Lothar Leuschen

Foto © Anna Schwartz
Nach Kassenlage
 
Lehrermangel an deutschen Schulen
 
Von Lothar Leuschen​
 
Selten war ein Umfrageergebnis so vorhersehbar wie das des Forsa-Institutes im Auftrag der Bosch-Stiftung. Selbstverständlich identifizieren die Schulleiter von Passau bis Flensburg den Personalmangel als größte Hürde in der deutschen Bildungslandschaft. Dabei erlaubt der Zustand von Gebäuden und deren Ausstattung an vielen Orten der Republik sicher auch größte Verzweiflung. Aber der Ausfall von Unterricht in Ermangelung von Lehrerinnen und Lehrern ist ein Skandal, den sich ein Land wie die Bundesrepublik nicht leisten kann. Einerseits ist es unsozial, Kinder um Aufstiegschancen zu bringen, weil ihre Schulbildung miserabel organisiert ist. Zweitens ist es unwirtschaftlich, das eigene Fachkräfte- und Wissenschaftler-Potenzial nicht zu nutzen. Jeder Cent, der nicht in Bildung investiert wird, fließt später in die sozialen Sicherungssysteme. Anders als bei Erwerbstätigen verzinst sich Investition in Armut jedoch nicht.​
 
Bildung ist Ländersache. Schule beispielsweise in NRW ist anders als Schule in Baden-Württemberg. Das liegt nicht zuletzt auch daran, daß sich der Mangel in seiner Ausprägung unterscheidet. In NRW fehlen derzeit 8000 Lehrer vor allem an Grundschulen. Das ist insofern überraschend, als daß es nur eines Taschenrechners bedarf, um heute zu wissen, wie viel Lehrerstellen in sechs Jahren, also 2029 benötigt werden. Wer in normalen Zeiten imstande ist, die Zahl der Geburten durch die Klassengrößen zu teilen und mit der Zahl der Fächer zu multiplizieren, der weiß zumindest grob, wie viele Lehrerinnen und Lehrer er für welche Disziplinen 2029 einstellen und wie viele Studienplätze er rechtzeitig anbieten muß. Das war schon immer so. Aber Pädagogen werden nicht nach Bedarf eingestellt, sondern nach Kassenlage. Und das war schon immer falsch. Der Zuzug von Flüchtlingen hat das Problem nicht geschaffen, sondern verschärft.​
 
Das Versagen in der Bildungspolitik hat übrigens keine Parteifarbe. Sie benötigt nun dringend, Frauen und Männer in Parteien und Ministerien, die verantwortungsvoll mit der wichtigsten Aufgabe umgehen, die ein Bundesland hat.​
 
 
Der Kommentar erschien am 19. Januar 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.