Kanzlers Zeitenwende
Deutschland liefert der Ukraine Panzer
Von Lothar Leuschen
Deutschland gibt Panzer für die Lieferung an die Ukraine frei und verwehrt auch anderen Staaten diese Entscheidung nicht. Damit sind im Verhältnis der Bundesregierung zum Krieg in der Ostukraine fast alle wichtigen Fragen endlich beantwortet. Klar ist nun, daß Deutschland ohne jeden Zweifel daran mitwirken will, daß die Ukraine den Krieg gegen Rußland gewinnt. Deutlich ist auch, daß Deutschland keine Rücksicht mehr auf Rußland beziehungsweise Wladimir Putin nehmen wird.
Fest steht, daß Deutschland sich Rußland nun eindeutig als mittelbarer Feind offenbart hat. Was durch die Lieferung leichter Waffen längst sichtbar war, wird durch die Leopard-2-Panzer zementiert. Denn diese Waffe soll das ukrainische Militär in die Lage versetzen, den russischen Angreifer vom eigenen Territorium zu vertreiben. Das gilt für die Gebiete im Donbass ebenso wie für die Krim. Deren Annexion hatte Deutschland im Jahr 2014 mehr oder weniger stillschweigend zur Kenntnis genommen.
Die Folgen der politischen Entscheidung werden sich in den nächsten Wochen und Monaten zunächst auf den Schlachtfeldern zeigen. Und es ist ausnahmslos allen Beteiligten zu wünschen, daß die Aufrüstung der Ukraine dazu führt, daß Rußland sich zu Waffenstillstandsverhandlungen genötigt fühlt. Sehr wahrscheinlich ist das jedoch nicht.
Für die Vorstellung, dass Putin seine militärische Niederlage einräumt, dürfte auch jedem noch so optimistischen Diplomaten in Kenntnis der vergangenen Jahre und Monate die Fantasie fehlen. Waffenstillstand oder gar Frieden wird es nur ohne den Despoten im Kreml geben. Aber ohne Panzerlieferung aus Deutschland, Polen oder auch den USA wäre der blutige Weg dorthin vermutlich noch länger.
Also sind nun alle Fragen geklärt? Nicht ganz. Offen bleibt, was Olaf Scholz in den vergangenen Wochen wirklich hat zögern lassen. Die Umstände sind seither unverändert schlecht. Und weder Nato noch EU haben je signalisiert, gegen deutsche Panzer für die Ukraine zu sein. Es wäre deshalb dienlich, wenn der Kanzler seine persönliche Zeitenwende erklärte.
Der Kommentar erschien am 26. Januar 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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