Sechs, setzen!

Peinliche Panne beim Abitur in NRW

von Lothar Leuschen​

Foto © Anna Schwartz
Sechs, setzen!
 
Peinliche Panne beim Abitur in NRW
 
Von Lothar Leuschen
 
Es war zu befürchten und die Reaktionen waren erwartbar. Selbstverständlich hat die digitale Verteilung der Abituraufgaben für die Fächer Naturwissenschaften, Ernährung und Technik nicht funktioniert. Ebenso selbstverständlich ist das politische Echo. Die Regierung bemüht sich, das Ausmaß der Rufschädigung in Grenzen zu halten, die Opposition fordert Sondersitzungen und Konsequenzen. Und all das wird wie so oft dazu führen, daß an den Symptomen herumgedoktert wird, die Ursachen aber unverändert bleiben. Und leidtragend sind in diesem Fall ausgerechnet jene jungen Menschen, auf die auch Nordrhein-Westfalen elementar angewiesen ist. Es geht um Schülerinnen und Schüler, die am Mittwoch in der Gewissheit aufgestanden sind, eine wichtige Prüfung abzulegen, vielleicht eine der wichtigsten in ihrem ganzen Leben. Und genauso hätte ihre eigene Vorbereitung und die Vorbereitung derer sein müssen, die diese Prüfung abnehmen. Aber es kam anders. Denn eine zentrale Stelle im Schulministerium war ganz offensichtlich nicht in der Lage, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Und da liegt das Problem. Es spricht aber einiges dafür, daß sich der Fokus der Aufarbeitung im politischen Geplänkel verfängt.​
 
Dabei drängt sich schon sehr lange die Frage auf, warum die Bildungslandschaft an so vielen Stellen einem Trümmerfeld gleicht. Viele Kommunen haben zu wenig Geld, ihre Schulgebäude in einen brauchbaren Zustand zu versetzen. Darüber hinaus fehlt es vielerorts an digitaler Ausstattung. Und das Land ist anscheinend außerstande, genügend geeignetes Lehrpersonal zu rekrutieren. Hinzu kommen Landesbehörden, in denen offenbar nicht alle ihre Arbeit ernst genug nehmen. Wie anders ist erklärbar, dass in diesem Jahr ein neues System für die Verteilung der Prüfungsaufgaben eingesetzt wird, offenbar ohne es zu testen? Das macht jeder Kegelclub besser.​
 
Für Schulministerin Dorothee Feller (CDU) ist die erste Abiturprüfung in ihrer Amtszeit ein Debakel. Es mag sein, daß nach Murphys Gesetz schiefgeht, was schiefgehen kann. Aber manches darf einfach nicht schiefgehen. Deshalb: Sechs, setzen!​
 
 
Der Kommentar erschienen am 20. April 2023 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.