Das Hohelied auf das Kino… das ist es nicht.

„Empire of light“ von Sam Mendes

von Renate Wagner

Empire of light
GB/USA 2023

Drehbuch und Regie: Sam Mendes
Mit: Olivia Colman, Micheal Ward, Colin Firth, Toby Jones i.a.
 
Kino – das sind natürlich die Filme, die dort gespielt werden. Aber Kino sind auch Räume, von kleinen Quetschen, die es früher noch in Dörfern gab, bis zu den Riesenpalästen am Londoner Leicester Square. Wer später ein Filmfreund wurde, war sicher in seiner Jugend ein begeisterter Kinogeher und hatte auch sein Stammlokal, wo er vielleicht nachmittags als Einziger im Zuschauerraum saß und man für ihn allein einen Western spielte. Zauber des Kinos, ewig.
Nun, nach manchem Film dieser Art „(„Cinema Paradiso“ war ein Signaltitel dafür) gibt es das „Empire of Light“, das Reich des (künstlichen) Lichts. Offenbar hatte Regisseur Sam Mendes nach zwei Bond-Filmen und dem Kriegsgeschehen seines Films „1917“ einmal Lust auf etwas ganz anderes. Und schrieb sich das Drehbuch zu einer traurigen, wundersam sentimentalen Geschichte selbst – ohne zu bedenken, daß er sich in ein Genre begab, das er nicht sehr gut „kann“.
 
Das gibt dem „Empire of Light“ etwas seltsam Unbestimmtes. Kino als Wunderwelt, gezeigt an einem aufwendigen „Filmpalast“ an der englischen Südküste in den Achtziger Jahren, soll es wohl auch sein, aber ist es nicht vielmehr die Geschichte einer Frau in ihren mittleren Jahren, für die der Untergang „ihres“ Kinos, dem sie ihr Berufsleben gewidmet hat, zum Gleichnis wird? So wie sie selbst ist das „Empire“, einst ein „Palast“, in die Jahre gekommen. Privatmenschen haben Gefühle, Geschäftsleute nicht. Ob hier eine Zukunft für eine kleine Mannschaft winkt, die dieses Kino seit Jahrzehnten betreibt, deren Herz daran hängt – danach fragen diejenigen, die nicht mehr satte Gewinne schreiben, nicht. Also geht es um die Jobs, geht es wirtschaftlich um diesen Kinostandort an sich.
Aber für Hilary (die immer bemerkenswerte Olivia Colman) geht es um einiges mehr. Sie leitet nicht nur den Laden, was eine Fülle von Aufgaben beinhaltet. Den sexuellen Nachstellungen ihres Chefs (Colin Firth, gewissenlos unter der Maske der englischen Nobelesse) hat sie zu oft nachgegeben. Der Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt folgte. Jetzt ist sie wieder da, und es scheint ihr, als schwankte der Boden unter ihren Füßen.
Neu im Team ist Stephen (Micheal Ward), der als Afroeuropäer den Rassismen des englischen Alltags ausgesetzt ist, Beleidigungen, auch Bedrohungen durch Skinheads. Daß zwei Menschen, die nicht mehr ins normale Gefüge passen, sich annähern, ist logisch. Dabei, was heißt normal, wenn man sich den schrulligen Norman (der absolut hinreißende Toby Jones) ansieht, mit seiner Leidenschaft für die Maschinen, mit denen er die Filme vorführt? (Man ist in den Achtziger Jahren, noch läuft nicht alles über Computer.)
 
Langsam, besinnlich und bedeutungsschwer, immer wieder auch mit moralisierenden Aussagen belastet, läuft die Geschichte zwischen dem jungen Mann und der älteren Frau ab, die einander herzlich zugetan sind. Aber wenn man die ganze Zeit das Gefühl nicht los wird, daß dies nicht gut gehen kann, behält man natürlich recht.
Alles in allem wirkt die Mischung aus dem Untergang des „Empire“, das „modernisiert“ werden soll, und der Aussichtslosigkeit der Außenseiter irgendwie ziellos. Wenn er James Bond schießen lassen darf, trifft Regisseur Sam Mendes besser ins Ziel. Der Skandal, den die immer mißbrauchte, genervte, ins Eck getriebenen Hilary am Ende macht (wie unenglisch!), verdichtet das Unglück. Letztlich ist es auch ein Zeitbild der gar nicht so guten Achtziger, als die gnadenlose Mrs. Thatcher regierte. Aber das, was man schon nach dem Titel erwarten kann, das Hohelied auf das Kino… das ist es nicht.
 
 
Renate Wagner